Facebook hat seine Nutzungsbedingungen (englisch: „Terms of Service“) geändert und alle laufen dagegen Sturm. Ich finde jedoch, dass Facebook damit die Entwicklung neuer Technologien unterstützt! Aber dazu am Ende. Erst einmal erkläre ich, worum es überhaupt geht.
Facebook will viel und dazu mit Garantie
„L’adoration des mages“, Foto von Christophe.Finot auf Wikipedia, CC-BY-SA
Die neuen Nutzungsbedingungen sehen grob zusammengefasst (Auf alltagskakophonie.de könnt Ihr die detaillierten Übersetzungen nachlesen) folgendes vor:
- Die Nutzer gewähren Facebook das weltweite, ewige und unwiderrufliche, beliebig übertragbare Recht
- ohne Entgelt
- alle Inhalte, die die Nutzer auf Facebook einstellen (sprich Texte, Bilder, Videos) und
- die Identität der Nutzer (Name und persönliche Bilder),
- beliebig zu nutzen (bearbeiten, verkaufen, veröffentlichen, kommerziell ausnutzen, für Werbezwecke nutzen etc.).
- Der Nutzer gibt Facebook eine Garantie, dass er alle notwendigen Erlaubnisse hat, Facebook diese Rechte zu übertragen.
Jedoch wird diese Rechteübertragung durch zwei Klauseln eingeschränkt:
- Sie stehen unter dem Vorbehalt der Datenschutzeinstellungen im Profil.
- Sind nur im Zusammenhang mit dem Facebook-Dienst und Werbung für diesen möglich.
Erstaunlicherweise sind diese Einschränkungen gar nicht mehr so klar und deutlich formuliert wie die Einräumung von Rechten. Im besten Fall kann das heißen, dass Facebook z.B. Bilder, die ich gegenüber meinen Freunden freigegeben habe, nur in der Werbung gegenüber diesen nutzen darf. Jedoch ist dies der beste Fall und zudem hat der Fall mit Bono und den Bikinimädchen schon gezeigt, wie schnell man seine Datenschutzeinstellungen aus Versehen erweitern kann. Und was heißt Facebook-Dienst? Sind damit auch Drittanbieterdienste auf Facebook erfasst? Oder was ist, wenn Facebook ins Onlineshopping einsteigt?
Ein Beispiel was diese Lizenzen bedeuten könnten:
Ich lade in mein Facebook-Profil das Strandbild von einer Freundin hoch und mache es jedem zugänglich. Facebook verkauft das Bild an eine Agentur, die das Bild für eine Facebook-Werbekampagne nutzt. Die Freundin ist sauer und verklagt Facebook. Facebook verklagt mich, weil ich garantiert habe (s. Punkt 6), dass ich vor dem Hochladen die Erlaubnis der Freundin eingeholt habe, sein Bild an Facebook für beliebige Nutzung zu überlassen.
Klingt ungerecht? Wohl, nicht für Facebook. Denn dies ist die Bezahlung für die Nutzung der Facebookdienste. Meint noch jemand, Facebook sei ein kostenloser Dienst?
Natürlich kann man jetzt sagen, dass nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das sagt zumindest Facebooks Gründer Mark Zuckerberg in seinem Blog, wie auch das Unternehmen im offiziellen Statement. Die Frage bleibt jedoch, wenn das so klar ist, warum schreibt Facebook es nicht klar hin? Warum erklärt Ihr es den Nutzern nicht vorher, sondern erst danach in Aktionen, die nach Schadensbegrenzung riechen? Und warum diese Garantie?
Ist das denn rechtens?
Schon nach amerikanischem Recht, das weniger konsumentenfreundlich ist als das Deutsche, sind diese Nutzungsbedingungen äußerst zweifelhaft (bei dem Link lohnt es sich die Kommentare zu lesen). Vor einem deutschen Gericht würden diese Nutzungsbedingungen Facebook aller Voraussicht nach „um die Ohren fliegen„. Warum?
1. Englische Sprache – Nutzungsbedingungen sind nichts anderes als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Und AGB sind nur dann bindend, wenn die Vertragspartei von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Wäre Facebook ausschließlich englisch, könnte man sagen, dass der User weiß, worauf er sich einlässt. Aber Facebook gibt es auf Deutsch und da kann man nicht einfach Nutzungsbedingungen auf englisch einbinden.
2. Nachträgliche Änderung der AGB -Ist möglich, wenn (a) die Nutzer ausdrücklich zustimmen (z.B. ein Bestätigungshäkchen „habe gelesen und bin einverstanden“ anklicken) oder (b) dem User eine angemessene Frist setzen und darauf hinweisen, dass die Nutzungsbedingungen nach Fristablauf als angenommen gelten. Facebook hat sich weder an (a) noch (b) gehalten. Eine großartig detailierte Erklärung dazu gibt es bei web2.0 und Recht.
3. Überraschende Klauseln – Nutzungsbedingungen die Bestimmungen enthalten, die so ungewöhnlich sind, dass man mit ihnen nicht zu rechnen braucht, sind unwirksam. Dazu müssen wir auf einen ganz durchschnittlichen Facebooknutzer abstellen und uns fragen, ob er damit hätte rechnen können, dass er die Rechte an allen Inhalten, seiner Identität, der seiner Freunde, etc. Facebook überträgt und dafür noch gerade steht. Wenn Ihr jetzt „ja“ meint, dann schreibt es mir bitte in die Kommentare. Ich will Eure Sicht auf die Welt gerne kennen lernen. 🙂
4. Unverhätnismäßige Klauseln – Nutzungsbedingungen sind unwiksam, wenn sie den Nutzer unangemessen benachteiligen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie gegen wesentliche Grundgedanken der Gesetze verstoßen. Ohne weit zu suchen fällt mir das mir z.B. das „Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung“ im Urhebergesetz ein. Oder die Möglichkeit einer auf einem Foto abgebildeten Person, ihre Zustimmung zur Veröffentlichung zu widerrufen. Facebook’s Nutzungsbedingungen sagen aber ohne Ausnahme „unwiderrufliche Rechteübertragung“. Und damit sind sie hinfällig.
Vor rechtswidrigen Nutzungsbedingungen muss ich keine Angst haben, oder?
Das wäre schön, wenn rechtswidrige Nutzungsbedingungen automatisch wegfallen würden. Leider ist es dem nicht so.
Verfolgen wir den Fall von oben. Was wird Facebook antworten, wenn ich sage, dass die Nutzungsbedingungen rechtswidrig sind und mein Foto nicht hätte verkauft werden dürfen? Wahrscheinlich:
- Es gilt das amerikanische und nicht das deutsche Recht.
- Doch, die AGB sind wirksam.
Zum Punkt 1. Es ist schwer zu sagen, wo im Internet Verträge abgeschlossen werden. Es werden Ansichten vertreten, dass der Sitz des Anbieters, Standort des Servers oder Abrufort maßgeblich sind. Ich möchte dieses Fass hier nicht aufmachen, sehe es aber ähnlich wie Carsten, dass unter Verbraucherschutzgesichtspunkten das deutsche Recht maßgeblich ist.
Bei Punkt 2. bleibt einem nichts anderes übrig, als gegen die Nutzung der eigenen Daten oder Inhalte gerichtlich vorzugehen. Facebook sitzt aber in den USA. Wo soll man nun klagen?
- In Deutschland – wäre zulässig, wenn meine Bilder z.B. in einer an Deutsche gerichteten Kampagne abrufbar sind. Aber deutsche Urteile werden in diesem Bereich von den USA grundsätzlich nicht akzeptiert und damit nicht vollstreckt.
- In den USA – (1) Facebook schließt eine Klage in den Nutzungsbedingungen aus und verpflichtet die Nutzer sich an Schiedsgerichtsverfahren zu wenden. Zu den Erfolgsaussichten (oder dem Gegenteil davon) steht hier mehr. (2) Kosten und Mühen eine Klage in den USA durchzusetzen dürften außer Verhältnis zu dem erwarteten Erfolg stehen.
Unterm Strich, bringt einem die Rechtswidrigkeit nichts.
Fazit
Wie kann man sich also wehren?
Natürlich gibt es auch eine passende Facebookgruppe, die sich für die Rückkehr zu den alten Nutzungsbedingungen einsetzt. Nach diesen erloschen alle Rechte, die man Facebook gegeben hat, mit der Beendigung der Mitgliedschaft.
Wenn man sich jedoch praktisch schützen will, stehen einem 3 2 Optionen zur Verfügung:
- Facebookaccount löschen (drastisch aber wirksam)
- Facebookaccount mit Pseudonym nutzen und keine Inhalte hochladen (die mildere Methode)
- Vertrauen, dass Facebook es wirklich gut meint und die Daten nicht missbrauchen wird (die Gutmenschmethode)
Ich denke ich werde mich für die Nummer zwei entscheiden, aber meinen Namen wohl beibehalten. Und hoffen, dass bald plattforunabhängige Onlineidentitäten und Freundschaftsnetzwerke möglich sein werden. Und hier danke ich Facebook. Mit solchen Schritten treiben sie eine Abkehr von geschlossenen Netzwerken bestimmt voran.
*Update 18.o2.2009*
Ein schönes Gefühl als Nutzer einen Konzern zur Umkehr zu bewegen. Facebook hat die neuen Nutzungsbestimmungen aufgehoben und ist vorerst zu den alten zurückgekehrt. Ferner bittet Facebook die User um Mithilfe bei der Ausarbeitung neuer Nutzungsbedingungen. Warum nicht gleich so? Aber besser spät als nie. Anscheinend liegen die Deutsche Bahn und Facebook in Sachen Medienkompetenz gar nicht so weit voneinander.
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2 Gedanken zu „Facebook – Danke, Du treibst die Zukunft voran!“