Darf Facebook das? Rechtliche Aspekte der Manipulation der Newsfeeds für Wissenschafts- und Werbezwecke

Facebook Newsfeed
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Facebook bietet seinen Nutzern nicht gerade üppige Optionen zur Einstellung des Newsfeed-Algorithmus und hält dessen genaue Funktionsweise geheim.

Facebook hat eine Welle der Empörung mit der Meldung ausgelöst, dass für eine wissenschaftliche Studie Newsstreams von ca. 700.000 Nutzern beeinflusst wurden. Eine Woche lang wurde so geprüft, wie sich eine Veränderung der Anzahl positiver oder negativer Posts im Newsfeed auf die Stimmung der Nutzer auswirkt.

Die Studie entspricht natürlich den Begehrlichkeiten der Werbebranche. Bisher werden Streuverluste bei der Werbung gemindert, indem die uns angezeigte Werbung unserem Verhalten und Vorlieben im Netz angepasst wird (sog. Online Behavioral Marketing). Aber stellen Sie sich vor, man könnte die Stimmung der Nutzer an die beworbenen Produkte und Leistungen anpassen.

Aber kann das rechtlich zulässig sein? Diese spannende Frage werde ich in diesem Beitrag beantworten.

Psychologische Beeinflussung in der Werbung

Es ist heutzutage üblich, dass Verbraucher psychologisch beeinflusst werden, um die Motivation zum Erwerb eines Produktes zu schaffen. D.h. statt mit „handfesten“ Qualitätswerten, wie Verarbeitung oder Service zu werben, werden Produkte oft mit immaterielen Werten „aufgeladen“.

Denken Sie z.B. an Apple oder Starbucks, die den Kunden gerne ein Gefühl vermitteln. Auch Facebook ist ein solches Produkt, das den Nutzern mit jedem Like das Gefühl gibt, sozial akzeptiert zu sein.

Diese Art von Beeinflussung ist nicht per se verboten. Das liegt insbesondere daran, weil die Beeinflussung durch die Werbung selbst erfolgt und damit erkennbar und erwartbar ist. Im Fall von Newsstreams, erfolgt die Beeinflussung dagegen intransparent und individuell.

Es ist naheliegend einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht zu vermuten.

Ist das Datenschutzrecht überhaupt anwendbar?

Gegen die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts könnte sprechen, dass Facebook anders als beim klassischen Online Behavioral Marketing nicht die Nutzerdaten auswertet, um dem Nutzer passende Werbung anzuzeigen. Statt dessen wird nur der Algorithmus unabhängig von konkreten Nutzern verändert. D.h. man könnte daran denken, dass Facebook nur anonyme und keine personenbezogenen Daten der Nutzer verarbeitet (§ 3 Abs.1 BDSG).

Ich bin jedoch bereits deswegen einer anderen Ansicht, weil ein Newsfeed individuell für Nutzer erstellt wird. D.h. ein Algorithmus entscheidet anhand der Vorlieben der Nutzer und der gewünschten wirtschaftlichen Beeinflussung, welche Informationen ein bestimmter Nutzer zu sehen bekommt. Damit werden personenbezogene Nutzerdaten in einem individuellen Verfahren verarbeitet.

Eine solche Verarbeitung ist nur zulässig, wenn sie gesetzlich erlaubt ist oder die Nutzer eingewilligt haben.

Hinweis: Mehr über Nutzerbeobachtung, Tracking und Online Behavioral Marketing erfahren Sie in dem Beitrag „Social Media Monitoring, CRM, HR & Recht – Teil 4 – Tracking, Targeting & Online Behavioral Marketing“ und über die Wirksamkeit von Nutzungsbedingungen sozialer Netzwerke in meinem Beitrag  „Nutzungsbedingungen sozialer Netzwerke und Onlineplattformen – Wirksamkeit der Rechteeinräumung an Nutzerdaten und nutzergenerierten Inhalten“ (WRP 2013, 37, kostenpfl.).

Wirksame Einwilligung?

Gesetzlich erlaubt wäre z.B. eine Anpassung des Newsfeeds um den Vertragszweck zu erfüllen (§ 28 Abs.1 S.1 Nr. 2 BDSG). Dieser besteht bei Facebook darin, die Nutzer sozial zu verknüpfen. Hierzu gehört auch eine Filterung der Beiträge, wenn damit die soziale Interaktion verbessert wird. Die Filterung zu Werbezwecken dient aber nicht der sozialen Interaktion.

Man könnte jedoch eine Einwilligung auf Grundlage der Nutzungsbedingungen und der Datenverwendungsrichtlinie annehmen. Eine wirksame Einwilligung muss jedoch bewusst und informiert erfolgen (und ausdrücklich, was bei Facebook mangels eines „Ich erkläre mich mit den AGB einverstanden„-Kontrollkästchens bereits zweifelhaft ist). Das bedeutet in diesem Fall, dass Nutzer

Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel, ob diese Voraussetzungen im Fall von Facebook erreicht wurden.

Persönlichkeitsrechte und Transparenz auf der Waage

Was einen daran bereits zweifeln lässt, ist die schiere Menge der AGB von Facebook (Nutzungsbedingungen und die Datenverwendungsrichtlinie sind AGB). Würde dort tatsächlich so eine Klausel enthalten sein, müsste man zudem Frage stellen, ob diese Klausel nicht überraschend und damit unwirksam ist (§ 305c BGB). Meines Erachtens wäre dies der Fall, da die Anpassung von Newsstreams für Werbezwecke nicht branchentypisch sind.

Ferner würde die Klausel gegen die wesentlichen Grundgedanken des Datenschutzes gem. § 307 Abs.2 Nr.1 BGB verstoßen. Zum einen müsste eine solche Klausel gem. § 4a Abs.1 S.3 BDSG inmitten anderer Nutzungsbedingungen hervorgehoben sein. Zum anderen werden die Anforderungen an die Transparenz der Datenverarbeitung nicht erfüllt.

Diese Anforderungen hängen von der Intensität des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Nutzers ab, die bei der Nutzung zu Werbezwecken erheblich beeinträchtigt werden.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die informationelle Selbstbestimmung, d.h. die Kontrolle der eigenen Daten (Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG ). Hierdurch soll die Autonomie, also die freie Bestimmung über eigene Entscheidungen, geschützt werden. Die Autonomie ist wiederum ein Ausfluss der Menschenwürde und Grundlage einer freiheitlichen- und demokratischen Gesellschaft.

D.h. eine Beeinflussung des Newsfeeds kann erhebliche gesellschaftliche Auswirkungen haben. Daher müssen diese Nachteile aufgewogen werden, was nur möglich ist, wenn die Nutzer sehr deutlich und verständlich aufgeklärt werden. Zu denken wäre da an eine Opt-In-Option wie im folgenden Beispiel.

Ansonsten ist die Einwilligung intransparent und unwirksam, was rechtliche Folgen nach sich ziehen kann.

Facebook-Soziale Anzeigen
Theoretisch ist eine Einwilligung in die Beeinflussung des Newsfeeds zu Werbezwecken möglich (wie hier die Einstellung für „Soziale Werbung„). Ob je ein Nutzer die Option wählen würde, ist eine andere Frage.

Rechtsfolgen

Die unerlaubte Beeinflussung des Newsfeeds kann zu den folgenden Rechtsfolgen führen:

  • Datenschutzbehörden können das Verfahren verbieten oder Bußgelder verhängen (§§ 16 TMG, 43 BDSG),
  • Verbraucherschutzorganisationen können eine strafbewehrte Unterlassung von Facebook fordern (wie es z.B. die Verbraucherschutzzentrale bereits erfolgreich getan hat)
  • Facebooknutzer können ebenfalls die Unterlassung fordern (§§ 823 Abs.1, Abs.2, 1004 analog BGB),
  • Mitbewerber können auch eine Unterlassung fordern. Zum einem stellen datenschutzrechtliche Einwilligungs- und Aufklärungsvorschriften marktregelnde Vorschriften dar, deren Verletzung gem. § 4 Nr.11 UWG unlauter ist. Eine unbemerkte Newsfeedmainpulation zu Werbezwecken stellt zudem nach meiner Ansicht eine unterschwellige Werbetechnik dar, da die kommerziell motivierte psychologische Einflussnahme nicht erkennbar ist (§§ 6 TMG, 4 Nr. 3 und Nr.11 UWG sowie Verbot unterschwelliger Werbetechniken in § 58 Abs.1 RfStV).

Hinweis: Gerichte sehen zunehmend in Datenschutzverstößen zugleich Wettbewerbsverstöße. S. die Beiträge „Abmahnung wegen fehlerhafter Datenschutzerklärung – Sichern Sie sich ab mit Datenschutz-Generator.de“ und „LG Frankfurt & Piwik: Abmahnbarkeit fehlerhafter Datenschutzerklärung erneut bestätigt„.

Fazit

Eine Anpassung der Verbraucher an die Werbung mit der Hilfe von Algorithmen ist nach meiner Ansicht ohne deutliche Hinweise und Erklärungen ein menschenunwürdiger Datenschutz- und Wettbewerbsverstoß. Bei Minderjährigen wäre gar zu fragen, ob eine Einwilligung aufgrund der Tragweite der Entscheidung überhaupt in Frage kommt.

D.h. rein theoretisch bleibt eine informierte Beeinflussung des Newsfeeds möglich. Ob sich ein Netzwerk mit dieser Funktion einen Gefallen tun würde, vermag ich zu bezweifeln. Denn von einer wirtschaftlichen zu einer politischen Beeinflussung ist nur ein kleiner Schritt. Schon jetzt zeigen die Reaktionen der Nutzer, dass  Facebook eine rote Linie überschritten hat.

https://twitter.com/cjoh/status/482883137161408512

Die aktuell kritisierte Studie erachte ich dagegen rechtlich als (gerade noch) zulässig. Sie lässt sich z.B. damit rechtfertigen, dass Facebook das Ziel verfolgte den Newsfeed-Algorithmus alleine zur Verbesserung der sozialen Interaktion zu testen. Das heißt Facebook könnte sich auf die Datenverarbeitungserlaubnis zur Erfüllung der Geschäftszwecke berufen. Das gilt, auch wenn die Newsfeedbeeinträchtigung aus meiner Sicht wissenschaftlich unethisch und moralisch verwerflich war.

Click to Tweet: Unethisch und unmoralisch, aber auch rechtswidrig? @thsch zur Newsfeedmanipulation durch Facebook http://bit.ly/fb-newsfeed-legal #datenschutz

[callto:marketing]

Darf Facebook das? Rechtliche Aspekte der Manipulation der Newsfeeds für Wissenschafts- und Werbezwecke

9 Gedanken zu „Darf Facebook das? Rechtliche Aspekte der Manipulation der Newsfeeds für Wissenschafts- und Werbezwecke

  1. „Menschenunwürdiger Datenschutzverstoß“ – geht es nicht eine Nummer kleiner? Naja, wenn die rechtliche Argumentation eher wacklig ist muss eben das ganz große Frame gesetzt werden.

    Darüber hinaus sehe ich nirgendswo eine „Welle der Empörung“, allein Spiegel Online wäre hier gerne einer ganz heißen Sache auf der Spur und versucht den „Skandal“ mit täglichen Meldungen am köcheln zu halten, obwohl es nichts neues zu berichten gibt.

  2. Danke für die Datenschutzrechtliche ausführliche Beschreibung des Handelns von Facebook. Einwilligungen holt sich das Unternehmen doch einige in den Datenschutzbedingungen, die so gut wie niemand wirklich liest. Sollte die Sentiment-Analyse für die Posts im Newsfeed global erfolgen unabhängig von den personenbezogenen Daten des betrachtenden nutzers, dann werden diese ja (per Definition) nicht mit einbezogen, und auch dieses Szenario ist denkbar.

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