Verträge per SMS & Twitter trotz Schriftformklausel ändern

Doppelte Schriftformklausel

Ein aktuelles Urteil erinnert an eine Vertragsklausel, die genauso trügerisch wie beliebt ist. Es handelt sich um die beliebte „Doppelte Schriftformklausel“:

Änderungen und Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für die Änderung dieser Schriftformklausel.

Ich erlebe es regelmäßig, dass viele sich tatsächlich auf diese Klausel verlassen. Dabei ist diese Klausel in den meisten Fällen unwirksam.

Das Urteil: Eine Vertragsänderung per SMS ist wirksam

Das Urteil vom 23.März 2011 (CX Digital Media, Inc. v. Smoking Everywhere, Inc., 09-62020-CIV-Altonga (S.D. Fl.; Mar. 23, 2011) kommt zwar aus den USA, würde bei uns aber genauso entschieden werden.

In dieser Entscheidung fragte ein Affiliate per SMS beim Affiliate-Network an, ob er von dem vereinbarten Vermittlungslimit abweichen kann. Der Sachbearbeiter beim Network stimmte dem mit knappen Worten per SMS zu. Als der Affiliate aufgrund der Änderung $25.000 geltend machte, berief sich das Network darauf, dass Vertragsänderungen nur in Schriftform zulässig waren. Das Gericht fand, dass diese Klausel unwirksam ist und die Änderungen auch per SMS, aber auch mündlich erfolgen können.

Auch in Deutschland hält die Schriftformklausel nicht, was sie verspricht

In Deutschland wurde ebenfalls entschieden, dass die doppelte Schriftformklausel unwirksam ist (OLG Rostock Beschluss v. 19.05.2009 – Az. 3 U 16/09; Bundesarbeitsgericht Urteil vom 20.5.2008 – 9 AZR 383/07).

Da die meisten Verträge von einer der Vertragsparteien vorformuliert werden, handelt es sich bei ihnen um AGB. Und AGB müssen immer per Individualabsprachen egal in welcher Form zu ändern sein. Die Schriftformklausel verbietet jedoch alle anderen als schriftliche Individualabreden und ist daher insgesamt unwirksam.

Folge: Unbedachte Äußerungen mit fatalen Folgen

Vor dem Abschluss eines Vertrages wird jede Klausel gründlich durchdacht, weil sie erhebliche Folgen nach sich ziehen kann. Und wegen der doppelten Schriftformklausel wird darauf vertraut, dass diese Klauseln wie in Stein gemeißelt sind.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Eine kurze und unbedachte Äußerung am Telefon, ein schnell abgesandter Tweet oder SMS und schon kann der Vertrag geändert sein.

Lösung: Individualvereinbarung

Nur wenn die Schriftformklausel individuell ausgehandelt wird, also keine AGB ist, kann sie wirksam werden (s. BGH, Urteil vom 17.09.2009 – I ZR 43/07). Dabei muss man nachweisen, dass über die Klausel verhandelt wurde. Also z.B. ein Emailverkehr vorliegt, in dem die eine Vertragspartei die andere fragte, ob sie mit einer Schriftformklausel so einverstanden ist und die andere Partei das ausdrücklich bestätigt hat.

Fazit

Da eine Schriftformklausel wohl selten individuell ausgehandelt wird, sollte man immer daran denken, dass die doppelte Schriftformklausel keinen Schutz bietet und einer Abweichung vom Vertrag nur mit Bedacht zustimmen.

Auf der anderen Seite bietet dieses Wissen die Möglichkeit einen unliebsamen Vertrag schnell, unkompliziert und doch wirksam abzuändern. Dabei sollte immer daran gedacht werden, diese Änderung nachweisen zu können. Bei SMS und Tweets geht das einfach, bei mündlichen Abreden nur mit Zeugen.

FotoCreative Commons License photo credit: matsuyuki
[callto:agb]

Verträge per SMS & Twitter trotz Schriftformklausel ändern

Ein Gedanke zu „Verträge per SMS & Twitter trotz Schriftformklausel ändern

  1. Vielleicht noch folgende Ergänzung:

    Der BGH (I ZR 43/07) hat in einer Entscheidung vom 17.09.2009 für den Fall, dass es sich auf beiden Seiten um Kaufleute handelt und die doppelt Schriftform individualvertraglich vereinbart wurde, entschieden, dass diese „nicht durch eine Vereinbarung abbedungen werden (kann), die die Schriftform nicht wahrt.“

    Grüße aus Stuttgart

    Kruno Kopp

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