Die Geschichte um das Verbot der smarten Spielzeugpuppe „Cayla“ findet in der Presse ein großes Echo (z.B. in der Süddeutschen Zeitung: „Spionage: Eltern müssen Puppe ‚Cayla‘ zerstören“ oder „Eltern sollen Spionage-Puppe ‚Cayla‘ zerstören“ bei Welt.de).
Die Bundesnetzagentur teilte mit, dass sie in der Herstellung, Vertrieb und Besitz der Spielzeugpuppe, einen „Missbrauch von Sende- oder sonstigen Telekommunikationsanlagen“ nach § 90 TKG sieht.
Im folgenden Beitrag werde ich prüfen, ob diese Auffassung nicht zu weit geht. Denn ähnlich wie die Spielzeugpuppe funktionieren auch digitale Assistenten (wie z.B. „Alexa“ von Amazon), so dass deren Hersteller und Nutzer, der Gefahr einer möglichen Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren ausgesetzt wären.
Der Beitrag wird durchaus juristisch werden. Dennoch werde ich mich bemühen, ihn möglichst verständlich zu gestalten. Des Weiteren freue ich mich auf Ihre Meinungen in den Kommentaren. Denn das Recht ist nicht ins Stein gemeißelt, sondern lebt von unterschiedlichen Ansichten.
[sc name=“tshinweisboxBEGIN“]Updatehinweis 05.04.2017: In der ersten Version dieses Artikels befand ich die Spielzeugpuppe für nicht verboten. Diese Ansicht habe ich aufgrund neuer Faktenlage und vertiefender Auseinandersetzung mit dem Thema in der 44. Folge der Rechtsbelehrung „Sprechende Puppen und andere Minispione“ geändert. Weitere Hinweise zu dem Update finden sich im Beitrag.[sc name=“tshinweisboxEND“]
Datenschutzmängel der Spielzeugpuppe „My Friend Cayla“
Die hier im Mittelpunkt stehende Spielzeugpuppe ist im Wesentlichen ein digitaler Assistent. Sie kann mithilfe einer App via Bluetooth an ein Smartphone gekoppelt werden und kann dann ähnlich wie Alexa von Amazon oder Siri von Apple, Fragen beantworten. Dazu werden die Fragen zur Verarbeitung an den Server des Herstellers von „Cayla“ gesendet.
Die Puppe kann Gespräche bis zu einem Radius von ca. einen Meter wahrnehmen. Ein aufleuchtender Anhänger an ihrem Hals deutet dabei auf die aktive Aufnahmefunktion hin.
Die Spielzeugpuppe hat jedoch erhebliche Datenschutzmängel. Schon der Hersteller weist darauf hin, dass der Halsanhänger bei der Nutzung mit manchen Android-Smartphones nicht aufleuchtet (s. S. 16 der FAQ). Ferner sollen technisch versierte Personen der Halsanhänger abschalten oder die Aufnahmefunktion der Puppe kapern können (Hesse, JurPC Web-Dok. 13/2017, Abs. 18).
Update 30.03.2017 – Der Anhänger ist auch über die offizielle App abschaltbar, weswegen das Ergebnis des Beitrags nachträglich angepasst wurde.
Das Gutachten und Ansicht der Bundesnetzagentur
In Folge der Beanstandungen durch die Verbraucherschützer, hat der Jurastudent Hessel die Spielzeugpuppe juristisch untersucht und festgestellt, dass sie gem. 90 Telekommunikationsgesetz (TKG) verboten sei. Diese ursprünglich 1986 in Kraft getretene Vorschrift verbietet sog. „Minispione“ oder wie es im Gesetz heißt, den „Missbrauch von Sende- oder sonstigen Telekommunikationsanlagen„.
Das Gutachten soll schließlich die Bundesnetzagentur auf die Spielzeugpuppe aufmerksam gemacht und zur Bejahung ihres Verbotes veranlasst haben.
Ob es zutreffend war, möchte ich vor allen anhand der geschichtlichen Entwicklung des § 90 TKG und des Willens des Gesetzgebers überprüfen.
[sc name=“tshinweisboxBEGIN“]Hinweis: Für juristische Fundstellen verweise ich auf das lesenswerte Gutachten von Stefan Hessel „My friend Cayla“ – eine nach § 90 TKG verbotene Sendeanlage?, JurPC Web-Dok. 13/2017″, auch wenn ich dessen Schlussfolgerung nicht teile. Ich selbst finde den Fall besonders interessant, weil ich mich mit dieser rechtlichen Problematik bereits im Hinblick auf Smartglasses (dort ab Seite 189) vertieft beschäftigt habe. [sc name=“tshinweisboxEND“]
Gesetz gegen „Minispione“ aus dem Jahr 1986
§ 90 TKG wurde als Reaktion auf die Miniaturisierung der Aufnahme- und Sendetechnik entworfen. Die Verbotsvorschrift sollte der Verbreitung sog. „Minispione“, die nunmehr durch jedermann erworben werden konnten, entgegenwirken.
Zu dieser Zeit hatte der Gesetzgeber kleine sendefähige Minimikrophone oder -kameras im Sinn, wie sie z.B. in Kugelschreibern versteckt werden können.
Der Gesetzgeber fühlte sich bei diesen Geräten zum Eingreifen verpflichtet, da die bestehenden Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre die von den Minispionen ausgehende Gefahr nicht hätten aufhalten können.
Weitreichender Schutz der Privatsphäre
Das heimliche Abhören von vertraulichen Gesprächen oder das Ablichten von Menschen sind verboten. Jedoch betreffen die Verbote nicht die verwendeten Geräte selbst, sondern deren konkrete Nutzung. Wer z.B. vertrauliche Gespräche heimlich abhört oder heimlich Aufnahmen von Personen erstellt, muss eine Vielzahl an Sanktionen fürchten:
- Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bei „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ gem. § 201 StGB.
- Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bei „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ gem. § 201a StGB (die Vorschrift trat 2004 in Kraft).
- Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bei Verbreitung und Veröffentlichung von Bildnissen von Personen ohne deren Einwilligung gem. §§ 22, 33 KUG.
- Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bei Verstößen gegen Datenschutzvorschriften gem. § 44 BDSG.
- Pflicht zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gem. §§ 823, 1004 BGB.
- Pflicht zur Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 249 BGB und § 823 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG (nur in schweren Fällen).
- Verbotsverfügungen und Bußgelder der Datenschutzbehörden gem. § 38 BDSG.
- Notwehrmaßnahen gem. § 32 StGB und § 227 BGB, wenn der Täter auf frischer Tat ertappt wurde.
Im Fall von Minispionen hielt der Gesetzgeber diese beachtliche Phalanx an Schutzvorschriften dennoch für unzureichend.
Die besondere Gefährdung durch Minispione
Die Besonderheit der durch den Gesetzgeber beanstandeten „Minispione“ liegt darin, dass sie die heimlich aufgezeichneten Ton- oder Bildsignale z.B. via WLAN, Mobilfunk, Buetooth oder anderen Fernübertragungsverfahren senden können (daher spricht das Gesetz von „Sendeanlagen“).
Die Fähigkeit, das Aufgenommen zu versenden bedeutet wiederum, dass der Täter nicht vor Ort sein muss, um Menschen heimlich abzuhören oder zu filmen. Dadurch fällt auch seine Hemmschwelle die Geräte einzusetzen. Sollte ihm der Einsatz der Geräte doch vorgeworfen werden, wird es schwer nachzuweisen sein. D.h. „Hobbyspione“ könnten sich mangels an Beweisen sehr häufig auf den Grundsatz „in dubio pro reo„, d.h. „im Zweifel für den Angeklagten“, berufen.
Diese erhebliche und akute Bedrohung der Privatsphäre zwang den Gesetzgeber zu handeln. Denn die Privatsphäre ist ein fundamentales Recht. Sie schützt nicht nur den seelischen Frieden der Menschen, sondern garantiert auch, dass Menschen frei von Angst vor Beobachtung politische Meinungen bilden können. Die Vielfalt von Meinungen ist wiederum eine elementare Voraussetzung einer freiheitlichen Demokratie.
Der Gesetzgeber verbot daher nicht nur die Nutzung, sondern bereits die Herstellung, Vertrieb, Einfuhr, Bewerbung und Besitz dieser sog. „Minispione“ und stellte sie unter eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren (s. § 148 TKG).
Tarnung und Eignung zum heimlichen Abhören und Ablichten
Das Wortlaut der ursprünglichen Gesetzesfassung von 1986 klang wie folgt:
Es ist verboten, Sendeanlagen oder sonstige Telekommunikationsanlagen zu besitzen, herzustellen, zu vertreiben, einzuführen oder sonst in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen, die ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind und auf Grund dieser Umstände oder auf Grund ihrer Funktionsweise in besonderer Weise geeignet sind, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen.
Aus dem Gesetzestext ergibt sich vor allem, dass „Minispione“ neben der Fähigkeit Ton- und Bildsignale zu senden, „ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sein“ müssen.
D.h. die Geräte müssen besonders getarnt, also in ihrer Form und Funktion darauf angelegt sein, unbefugt Abbildungen von Menschen oder deren Gespräche aufzunehmen. Denn nur so realisiert sich die Gefahr, dass die Verletzungen der Privatsphäre nicht entdeckt werden können.
Ein Mikrophon in einem Lampenschirm ist z.B. derart getarnt, ein Minimikrophon am Revers dagegen nicht. Auch Richtmikrophonen und Teleobjektiven fehlt es an einer Tarnung, da sie als solche erkennbar sind.
Auch Smartphones sind nicht im Sinne des Gesetzes getarnt. Der Mehrheit der Menschen ist bekannt, dass Smartphones sendefähige Aufnahmevorrichtungen besitzen, weshalb es an einer bewussten Tarnung zwecks Umgehung der Arglosigkeit von Betroffenen mangelt.
Eignung zum heimlichen Abhören bei Spielzeugen und digitalen Assistenten
Im Fall von Spielzeugen kommt es auf deren Bauweise und die Erkennbarkeit der Abhör- und Aufnahmemöglichkeiten an. Muss die Aufnahme z.B. per Tastendruck aktiviert werden, dann sind die Spielzeuge für heimliche Aufnahmen nicht geeignet (wie z.B. bei der Spielzeugpuppe „Hello Barbie“ des Herstellers Mattel). Auch deutliche akustische oder blinkende Leuchtsignale machen eine Stimmaufnahme hinreichend deutlich und verhindern die Heimlichkeit.
Anders dagegen sieht es bei Babyphones aus, die z.B. als Spielzeug verkleidet werden und keiner Aktivierung bedürfen. Deren Aufnahmevorgänge werden durch diese Tarnung verheimlicht, um den Argwohn der Kinder nicht zu wecken. Folglich eigenen sich derart getarnte Babyphones, um andere Menschen heimlich abzuhören.
Auch wenn es bei dieser Prüfung um eine Spielzeugpuppe geht, sei angemerkt, dass auch digitale Assistenten, wie z.B. Alexa von Amazon auf Echo-Lautsprechern oder Siri auf IPhones den Aufnahmevorgang nicht tarnen. Diese digitalen Helfer reagieren ohnehin nur auf bestimmte Schlüsselworte und weisen auf die Aufzeichnung, sei es durch visuelle oder akustische Signale, hin.
Auch die Spielzeugpuppe „Cayla“ verfügt über ein solches Signal in Form eines leuchtenden Halsanhängers. Wie eingangs erwähnt, funktioniert der Anhänger jedoch nicht zuverlässig und kann abgeschaltet und umgangen werden. Damit würde es sich bei der Puppe zumindest nach objektiven technischen Gesichtspunkten in derartigen Konstellationen um eine getarnte Sendeanlage handeln, die sich zum Abhören von Menschen eignet.
Allerdings steht im Gesetz, dass das Gerät auch zum heimlichen Abhören „bestimmt“ sein muss.
Gefahr der Ausuferung des Gesetzes
Da die ursprüngliche Fassung des § 90 TKG alleine auf die technische Eignung zum heimlichen Abhören abstellte, würde sein Verbot in der heutigen „durchtechnologisierten“ Zeit uferlos sein.
Man möge sich z.B. vorstellen, dass das Aufnahmesignal eines Spielzeugs ausfällt. Dann wäre das Spielzeug plötzlich zum heimlichen Abhören geeignet, damit verboten und die Beteiligten wären je nach Kenntnis der Fehlfunktion strafbar.
D.h. die Strafbarkeit würde vom Zufall abhängen. Der einzige Schutz bestünde darin, keine Mikrophone oder Kameras in Alltagsgegenständen zu verbauen. Diese Vorstellung mag für manche wünschenswert sein, entspricht jedoch nicht dem Wunsch des Gesetzgebers.
Das ist verständlich, denn damit hätte der Gesetzgeber praktisch eine Vielzahl von Assistenzsystemen, die in Alltagsgeräte integriert sind (sei es im „Smart Home“, „Smart Cars“ oder in „Smartglasses“) verboten. Angesichts der mit dem technischen Fortschritt verbundenen Vorteile und Interessen der Hersteller und Nutzer, wäre ein derartiges Verbot nicht gerechtfertigt.
[sc name=“tshinweisboxBEGIN“]Widerstreitende Interessen: Der Gesetzgeber darf nicht einseitig mögliche Privatsphäreverstöße beachten, sondern muss auch auf die Interessen der Hersteller und Nutzer von digitalen Assistenzsystemen Rücksicht nehmen. Hierzu gehören insbesondere deren Grundrechte auf freie Berufsausübung gem. Art. 12 GG, Schutz des Eigentums gem. Art. 14 GG, Schutz der körperlichen Unversehrtheit im Art. 2 Abs. 2 GG, die Kommunikationsgrundrechte gem. Art. 5 Abs. 1 GG oder die allgemeiner Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG.[sc name=“tshinweisboxEND“]
Notwendigkeit einer verwerflichen Zweckbestimmung
Um darauf hinzuweisen, dass diese weitreichenden Folgen nicht beabsichtigt waren, nahm der Gesetzgeber eine weitere Voraussetzung ins Gesetz auf.
Dabei handelte es sich um den Hinweis, dass die Sendeanlagen nur dann verboten sind, wenn sie nicht nur geeignet, sondern auch (Hervorhebung von mir)
„[…] dazu bestimmt sind, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen“.
Leider sagte der Gesetzgeber nicht genau, wann eine solche Bestimmung vorliegt, was seitdem zu Schwierigkeiten bei der Auslegung des Gesetzes führt.
Missbrauchspotential ist keine Bestimmung zum heimlichen Abhören
Laut dem Gutachten von Stefan Hessel (dem sich die Bundesnetzagentur wohl anschloss) ist die Spielzeugpuppe „Cayla“ deswegen zum heimlichen Abhören von Personen bestimmt, weil sie für heimliche Abhörvorgänge missbraucht werden kann. Dieser weiten Auslegung stehen laut des Gutachtens auch die systematische Stellung und der Wortsinn des Begriffs „Bestimmt“ nicht entgegen. Vereinfacht gesagt heißt es: Wer digitale Assistenten mit Missbrauchspotential auf den Markt bringt, der bestimmt sie zum heimlichen Abhören.
Diese Gleichsetzung der Bestimmung mit einer Gefahrenneigung ist an und für sich nicht abwegig. Allerdings gehört zu einer Auslegung von Gesetzen nicht nur die Prüfung der Grenzen des Wortsinns und der Systematik. Viel wesentlicher ist der Zweck des Gesetzes. Diese Intention des Gesetzgebers, kann vor allem im historischen Rückblick anhand seiner Erwägungsgründe bestimmt werden.
Es kommt auf den Willen des Gesetzgebers an
Um den Zweck des § 90 TKG zu bestimmen, hilft ein Blick auf die Überlegungen des Gesetzgebers zur ursprünglichen Gesetzesfassung (die mit der Anpassung von 2012 vor Ausuferung bewahrt werden sollte).
Demnach sollte sich das Verbot gegen Geräte richten, die
„von vorneherein keinem anerkennenswerten Zweck“
dienen,
„sondern offensichtlich nur dem heimlichen Abhören von Gesprächen bzw. dem heimlichen Anfertigen von Bildaufnahmen eines anderen dienen sollen“.
Die Begriffe „offensichtlich“ und „nur“ unterstreichen, dass der Gesetzgeber nur solche Geräte verbieten wollte, die ihrer Bestimmung nach als Werkzeuge für heimliche Verletzungen der Privatsphäre dienen sollen.
Bezogen auf die hier besprochene Spielzeugpuppe, müsste es also ins Auge fallen (d.h. offensichtlich sein), dass sie auf den Markt gebracht wurde, um Menschen heimlich abzuhören. Eine derartige Zielsetzung könnte man vielleicht in extremen Fällen annehmen, in denen ein als Teddy verkleidetes Babyphon unter dem „Deckmäntelchen“ eines Spielzeugs verkauft wird.
Vorliegend ist die Grundfunktion der Spielzeugpuppe jedoch die Unterhaltung und Edukation der Kinder. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Hersteller mit der Spielzeugpuppe potentiell auch heimliche Abhörvorgänge unterstützen möchte.
Ausuferung vs. Umgehung des Gesetzes
Allerdings wäre das Gesetz sehr einfach umgehbar, wenn der Hersteller bloß auf mögliche weitere Funktionen einer Abhöranlage hinweisen könnte. So könnte z.B. eine in einem Kugelschreiber versteckte Kamera als „Kugelschreiber mit digitaler Notizfunktion“ angepriesen werden.
Würde man umgekehrt alleine die Gefahr für die Privatsphäre aufgrund möglichen Missbrauchs von Geräten mit Mikrofonen genügen lassen, dann wäre die Voraussetzung der „Bestimmbarkeit“ auf „Eignung zum Missbrauch“ reduziert.
Damit wäre das Gesetz jedoch entgegen dem Willen des Gesetzgebers uferlos. Denn viele der Aufnahmeindikatoren, wie z.B. Signallampen, lassen sich mit Hilfe von permanenten Filzstiften oder Klebeband tarnen, als auch sonst ohne hohe technische Sachkenntnis außer Betrieb setzen. Die Wahrscheinlichkeit dieser einfachen Änderungen und des folgenden Missbrauchs wäre dabei weitaus höher, als bei etwaigen heimlichen Zugriffen auf die Spielzeugpuppe durch technisch versierte Personen.
Damit wäre dank dem Missbrauchspotential (zumindest durch Filzstifte und Klebeband) auch eine Vielzahl der digitalen Assistenten zum heimlichen Abhören bestimmt und folglich gem. § 90 TKG verboten.
[sc name=“tshinweisboxBEGIN“]Strafbarkeit und Bestimmbarkeit: Ein weiteres Argument gegen die Gleichstellung einer Missbrauchsmöglichkeit mit der Bestimmung zum heimlichen Abhören, ist der Rechtsgrundsatz „Nulla poena sine lege“ (Art. 103 Abs. 2 GG). Dieser Grundsatz bedeutet, dass eine Strafe nur dann verhängt werden darf, wenn ein Gesetz hinreichend erkennen lässt, wann die Schwelle des Verbotenen überschritten wird. Eine allgemeine Missbrauchsmöglichkeit als Grundlage der Strafbarkeit würde m.E. gegen diesen Grundsatz verstoßen.[sc name=“tshinweisboxEND“]
Update 30.03.2017 – Bestimmung zum heimlichen Abhören
In der Folge Nr. 44 der Rechtsbelehrung „Sprechende Puppen und andere Minispione„, sind wir der Frage nach der Ausuferung des Gesetzes weiter nachgegangen. Dabei haben wir Kriterien definiert, mit denen sich der Schutzbedarf der Privatsphäre, als auch die Vermeidung vor Ausuferung vereinbaren lassen. Im Wesentlichen kamen wir zu den folgenden Ergebnissen:
- Eine Bestimmung zum heimlichen Abhören liegt noch nicht vor, wenn die Signalfunktionen durch Einsatz zusätzlicher Werkzeuge oder technisch versierter Aktivitäten der Nutzer oder Dritten umgangen werden können. D.h. die Gefahr, dass Signalfunktionen z.B. abgeklebt oder Hacker die Puppe kapern können, führt noch nicht zu einer Bestimmung zum heimlichen Abhören.
- Eine Bestimmung zum heimlichen Abhören liegt jedoch vor, wenn die Abschaltung der Signalfunktionen bereits vom Hersteller vorgesehen ist oder sich aus Fehlern ergibt, die offensichtlich sind und zum Missbrauch ohne weitere technische Vorkenntnisse führen können. Das ist vorliegend der Fall, da der Leuchtanhänger in der App abgeschaltet werden kann und mit bestimmten Androidgeräten nicht funktioniert. Dass der Hersteller nicht die Absicht des Missbrauchs der Puppe hatte und sie andere und nützliche Funktionen mit sich bringt, muss dabei außer Betracht bleiben.
Fazit
Zusammenfassend ist die Spielzeugpuppe „Cayla“ zum heimlichen Abhören von Gesprächen bestimmt. Das gilt auch, wenn sie Kinder bilden und unterhalten soll und die Eignung zum Missbrauch als eine heimliche Abhöranlage, lediglich eine nicht bezweckte Nebenfolge ist. Daher ist die Puppe eine verbotene Sendeanlage im Sinne des § 90 TKG.
Daher war das Verbot der Spielzeugpuppe durch die Bundesnetzagentur zutreffend. Die Erwerber der Spielzeugpuppe können sich auf deren Gewährleistungsansprüche zu berufen und die Puppe unter Berufung auf einen Rechtsmangel zurückzugeben. Sie können jedoch auch nur die Abhörfunktion „unschädlich machen“ (z.B. durch das Zerstören des technischen Innenlebens) und die Puppe so weiternutzen.
Eine Gefahr, dass auch andere digitale Assistenten verboten sind, besteht nicht. Das zumindest solange sie mit deutlichen Signalfunktionen ausgestattet werden (und am besten bestimmter Signalwörter zur Aktivierung bedürfen). Zwar können diese Schutzmaßnahmen umgangen werden, jedoch ist dieser Missbrauch nicht dem Hersteller zuzurechnen. Vielmehr ist dann derjenige, der z.B. Signallampen verdeckt, selbst der Hersteller eines verboten „Minispions.“