Muss eine Agentur Rohdaten und Druckvorlagen an Kunden herausgeben?

Herausgabe von RohdatenCreative Commons License photo credit: See Ming Lee

Die Frage ob Rohdaten und Druckvorlagen (kurz Vorlagen) an Kunden herausgegeben werden müssen, ist ein ewiges Thema, das oft im Streit zwischen Kunden und Agenturen endet. Das liegt mitunter daran, dass die Kunden die Vorlagen in der Regel erst dann verlangen, wenn Sie das Vertragsverhältnis zu der Agentur beenden wollen. Und bis sie die Vorlagen erhalten, verweigern sie die Zahlung oder stürzen die Agentur in ein Dilemma: Nein sagen und den Verlust des Kunden riskieren oder ja sagen und hoffen, dass er nicht schon eine andere Agentur im Sinn hat?

Ob und wann Vorlagen herausgegeben werden müssen und wie man sich als Agentur dagegen absichern kann, erkläre ich in diesem Beitrag.

Der typische Sachverhalt

Der Kunde hat eine Agentur mit kreativen Leistungen, wie der Erstellung von Flyern, Webseiten, Bannern o.ä. beauftragt. Dabei wurde der Fehler begangen, dass die Herausgabe der Vorlagen weder mit dem Kunden ausdrücklich vereinbart wurde, noch in den Agentur-AGB geregelt wurde. Der Kunde beendet den Vertrag mit der Agentur und will die Vorlagen haben, damit er sie selbst oder mit Hilfe einer anderen Agentur weiter nutzen kann. Die Agentur weigert sich und meint, dass die Herausgabe der Vorlagen sei nicht der Gegenstand des Vertrages und zudem nicht branchenüblich.

Was die hier verwendeten Begrifflichkeiten angeht, so sind mit

  • Rohdaten Quelldaten gemeint, wie z.B. eine Photoshop-Datei, in der die Ebenen, Grafiken oder Texte verändert werden können und mit
  • Druckvorlagen Dateien, die z.B. an eine Druckerei gegeben oder auf den Server geladen, aber nicht weiter verändert werden können (z.B. PDF, JPG).

Die Rechtslage – oder wer hat Recht, der Kunde oder die Agentur?

Wenn die Agentur mit dem Kunden nichts vereinbart hat, dann gilt das Gesetz. Und weil bei kreativen Werken das Urheberrechtsgesetz (UrhG) einschlägig ist, müssen wir schauen, was es zu der Übertragungspflicht bei fehlenden Vereinbarungen sagt:

Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt.
§ 31 Abs.5 UrhG – so genannte Zweckübertragungslehre

Übersetzt heißt das in diesem Fall:

Wenn der Kunde und die Agentur nichts zur Übertragung einzelner Werke vereinbart haben, muss die Agentur dem Kunden nur das liefern, was er für den geplanten Zweck braucht.

Das heißt es kommt darauf an, was der Kunde braucht und es auch der Agentur mitgeteilt hat. Was der Kunde sich im Geiste wünscht, ist unerheblich. Ich werde das anhand von Beispielen erläutern:

  • Sagte der Kunde, er braucht 100 Flyer, dann ist der geplante Zweck die Verteilung von Flyern. Er braucht also ausgedruckte Flyer und keine Druckvorlage oder Rohdaten.
  • Sagt der Kunde er braucht ein Flyerdesign, dann ist der geplante Zweck die eigenbestimmte Nutzung des Designs (z.B. kann der Kunde es hochladen oder ausdrucken). Dazu braucht er die Druckvorlage. Rohdaten braucht er dagegen nicht.
  • Sagt der Kunde er will ein Flyerdesign, in dem er selbst den Text eintragen kann, dann ist der Zweck die eigenbestimmte Nutzung des Designs mit der Möglichkeit den Text zu ändern. Also müssen ihm Rohdaten geliefert werden, in der er zumindest den Text verändern kann.
  • Braucht der Kunde eine Website, müssen die Dateien geliefert werden, die er zur Nutzung der Website braucht. Also der Code und die Grafiken. Aber nicht die Rohdaten.
  • Will der Kunde aber ein Websitetemplate, dass er wiederum für seine Kunden anpassen will, braucht er notwendigerweise auch die Rohdaten.

Im Zweifel für die Agentur

Dieses gesetzliche Prinzip entscheidet im Zweifel ganz klar für die Urheber, als die Agentur. Das ist mit folgenden Argumenten zu erklären:

  • Liefert eine Agentur die Design- oder Druckvorlage, muss sie für deren Mängel, z.B. Inkompatibilitäten Gewähr leisten,
  • muss bei Rohdaten die Rechte haben, dem Kunden z.B. die Nutzung der eingebetteten Schriften oder Bearbeitung der genutzten Fotos zu erlauben und
  • kann ihren Ruf gefährden, wenn z.B. die Agentur als Urheberin aufgeführt wird, aber der Kunde die Rohdaten für dilettantische Updates nutzt.

Also kommen viel mehr Gewährleistungs- und Haftungspflichten auf die Agentur zu, für die se besonders entlohnt werden müsste.

Vorsorge treffen: AGB und Sicherheit für den Kunden

Der beste Rat für solche Fälle ist jegliche Unklarheiten zu vermeiden und den Kunden aufzuklären. Dazu sollte jede Agentur die Herausgabe der Rohdaten und Druckvorlagen in den AGB geregelt haben. Darin sollte stehen:

  • dass Rohdaten und Druckvorlagen nur dann heraus gegeben werden, wenn dies dem Vertrag nach notwendig ist und
  • darüber hinaus eine Herausgabe einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf sowie
  • ob die Agentur oder der Kunde Lizenznehmer vom eingesetzten Bildmaterial Dritter ist.
  • Ferner sollten die AGB Regelungen zur Gewährleistung und Umfang von Rechten an den herausgegebenen Daten und falls es nicht individual vereinbart wird,
  • der Mehrpreis für die Herausgabe dieser Daten enthalten.
  • Zudem sollte dem Kunden gegenüber gegebenenfalls versichert werden, dass Rohdaten von individuell für ihn erstellten Arbeitsergebnissen nicht für andere Kundenverwendet werden.

Mich persönlich würde es interessieren, welche Mehrpreise für die Herausgabe der Daten genommen werden. Es gibt ja viele Berechnungsmethoden, angefangen bei einfachen Sätzen wie „+ 50%“ bis zu umfangreichen Nutzwertberechnungen. Über Hinweise in den Kommentaren würde ich mich sehr freuen.

Checkliste, mit denen die Streitigkeit entschieden wird

Es ist mit dem Blick auf den Vertrag zwischen der Agentur und dem Kunden zu fragen:

  1. Was hat der Kunde mitgeteilt, wofür er die Agenturleistung benötigt? (Vertragszweck)
  2. Benötigt er für diesen Zweck unbedingt
    • die Druckvorlage?
    • die Rohdaten?

Fazit

Die Herausgabe von Rohdaten ist ein unangenehmes Streitthema, das viel Konfliktpotential in den Vertrag zwischen Agentur und Kunde hinein bringt und damit unnötig Zeit und Geld kostet. Und auch wenn die Agentur Recht behält, wird der Kunde um ein Vielfaches unzufriedener sein und das Kund tun.

Die Lösung sind gute Agentur-AGB in denen geregelt ist, dass Design- und Druckvorlagen nur bei ausdrücklicher (schriftlicher) Vereinbarung heraus gegeben werden.

Wir helfen Ihnen gerne mit der Erstellung von AGB oder Lösung von Problemen zwischen Agentur und Kunden. Rufen Sie uns an oder Schreiben eine Email.

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