Der Postillon vs Titel Thesen Temperamente (TTT) – Ist Humor urheberrechtlich geschützt?

Titel Thesen Temperamente vs Der Postillon – Ist Humor urheberrechtlich geschützt?

Titel Thesen Temperamente vs Der Postillon – Ist Humor urheberrechtlich geschützt?Bereits zum zweiten Mal begegnet mir ein Fall, bei dem ein Fernsehmoderator einen Witz aus dem Netz für seine Sendung übernimmt. Beim ersten Mal war es Klaas Häufer-Umlauf in ZDFs neoParadise, diesmal ist es Dieter Moor in der ARD-Sendung „Titel, Thesen, Temperamente (TTT)“.*

Hintergrundinfos:

Interessant ist dabei der Frontenwechsel. Üblicherweise stören sich die traditionellen Medien an der Kopierkultur im Netz. Jetzt ist es umgekehrt, das Netz stört sich an der Kopierkultur des Fernsehens.

  • Aber ist das verboten und liegt überhaupt ein Urheberrechtsverstoß vor?
  • Und falls ja, war es kein Zitat oder erlaubte Satire?

Diesen Fragen werde ich in diesem Beitrag nachgehen.

Zuerst jedoch ein Blick auf die rechtlichen Grundlagen. Wenn Sie die kennen, werden Sie die obigen Fälle selbst beurteilen können. Oder merken, warum das gar nicht so einfach ist.

WICHTIGER HINWEIS: Dieser Beitrag enthält schlechte Beispielswitze.

Grundlagen 1 – Welche Texte sind urheberrechtlich geschützt?

Eine Einwilligung zur Verwendung eines Textes ist nur dann erforderlich, wenn der Text urheberrechtlich geschützt ist:

  • Das Urheberrecht schützt keine Ideen und keine Fakten.
  • Das Urheberrecht schützt lediglich die individuelle und persönliche Form, in der die Ideen nieder geschrieben sind (man nennt das die Schöpfungshöhe). Je außergewöhnlicher der Text ist, desto eher ist die Schöpfungshöhe erreicht.
  • Ausnahme: Ausformuliertes Handlungsgeflecht, zum Beispiel eines Romans oder eines Films. Hier ist quasi die geistige Welt geschützt (juristischer Begriff: Fabel). Jedoch sind die Anforderungen sehr hoch.
  • Die Daumenregel lautet: „würde jemand anders die Idee ebenso formulieren?“

Vertiefende Ausführungen zum urheberrechtlichen Schutz und zu Zitaten finden Sie in dem Beitrag “ Texte richtig zitieren, statt plagiieren (Anleitung mit Checkliste).“

Grundlagen 2 – Wann ist ein Zitat zulässig?

Ist ein Text urheberrechtlich geschützt, kann er immer noch im Rahmen eines Zitates verwendet werden (§ 51 UrhG). An ein Zitat werden jedoch hohe Anforderungen gestellt:

  • Belegfunktion – Ein Zitat darf nur dazu dienen eigene Gedanken und Ausführungen zu unterstützen. Keineswegs ist ein Zitat erlaubt, damit man sich die Formulierung mit eigenen Worten sparen kann.
  • Kürze – Ein Zitat darf nur so lang sein, wie er als Beleg eigener Gedanken notwendig ist.
  • Quellenangabe – Ein Zitat muss den Namen des Verfassers enthalten sowie die Möglichkeit geben, die Quelle wieder zu finden (Online = Link).

Was ist ein Plagiat? – Ein Plagiat ist kein gesetzlicher Begriff. Man spricht von einem Plagiat, wenn fremde Ideen ohne Quellenangabe übernommen werden. Das heißt, auch dann wenn der Text gar nicht urheberrechtlich geschützt ist. Es handelt sich dabei um einen moralischen Verstoß, der in manchen Fällen bestraft wird. Z.B. durch Zitiervorschriften einer Universität oder Ehrverlust in einer Branche.

Grundlagen 3 – Wann ist Satire erlaubt?

Satire ist ein wichtiger Pfeiler der Meinungsfreiheit und erlaubt es auch Texte zu verballhornen, um zum Beispiel sie oder deren Urheber zu kritisieren. Kein Fall von erlaubter Satire liegt dagegen vor, wenn ein satirischer Text einfach kopiert wird.

Wann sind Witze und Gags geschützt?

Wenn man die obigen Regeln betrachtet, dann sind Ideen für Witze und Gags nicht geschützt. Egal wie pointiert sie sind und wie viel Arbeit in ihnen steckt. Nur, wenn sie in individuellen Worten ausgedrückt werden, werden sie geschützt. Dazu ein paar Beispiele:

Zwei Kannibalen verspeisen einen Clown. Sagt der eine: „Der schmeckt aber komisch.“

Dieser Witz ist nicht urheberrechtlich geschützt. Die sprachliche Formulierung ist gewöhnlich und banal.

Als sich drei Freunde fünf Jahre nach dem Abitur wieder begegnen, sind zwei in Armanianzüge gekleidet, während der dritte im schmuddeligen T-Shirt aufläuft. Auf die Frage wie er zu Geld gekommen ist, sagt der erste, er hat eine Ausbildung in einer Bank gemacht und seit dem steht er unter einer Geldtraufe. Der zweite berichtet ebenfalls von den Vorzügen seines Lebens und wie er eine reiche Frau kennen gelernt, sie umgarnt sowie geheiratet hat und wie sie ihn im Gegenzug mit einer Stelle in ihrer Werbeagentur beglückte. Der dritte Freund sagt: „Ich trinke Bier“. Weitere fünf Jahre gehen ins Land und wieder treffen sich die Freunde, wobei die ersten beiden diesmal ihren S-Klassen entsteigen. Der einer prahlt mit Berichten wie sein Stern das Finanzwesen erklimmt, der eine täuscht nur kurz Trauer vor, bevor er mit neuer Freundin im Arm davon berichtet, wie seine Frau aus dem Leben schied und er sich nun sorgenlos entfalten kann. Der dritte Freund sagt erneut: „Ich trinke Bier“. Als sich die Wege der drei wieder kreuzen, überrascht der dritte Freund die beiden anderen doch sehr. Statt im Schmuddelshirt, trägt er einen Maßanzug, entsteigt einem Ferrari und hält vier außergewöhnlich hübschen Begleiterinnen im Arm. Völlig baff und bar jeglichen Verständnisses fragen ihn die Freunde wie er zu diesem Reichtum kommt und ob er im Lotto gewonnen hätte. „Nö“, erwidert der, „ich habe das Leergut wieder weg gebracht“.

Dieser Witz ist urheberrechtlich geschützt und dessen individuelle Formulierung dürfte nicht wortwörtlich übernommen werden. Die dahinter steckende Witzidee dagegen schon, solange dies mit eigenen Worten erfolgt.

Merke 1: Qualität und Inhalt eines Textes sind für den urheberrechtlichen Schutz nicht entscheidend. Auch ein schlechter Witz in blumigen Worten kann geschützt sein, ein pointierter Gag in wenigen Worten dagegen nicht.

Merke 2: Kurze Texte sind in der Regel nicht individuell genug, um geschützt zu sein. Es gibt aber Ausnahmen, wie das untere Beispiel zeigt:

Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.

Diese Zeile von Karl Valentin wurde vom Landgericht München (Urteil vom 8. September 2011, Az.: 7 O 8226/11) als „sprachlich und grammatikalisch unübliche Art und Weise einer bayerischen Wortakrobatik“ für individuell und damit urheberrechtlich schützenswert erachtet („Oktoberfest“ in „Karl Valentins gesammelte Werke“, R.Piper & Co, München 1974).

Gerüstet mit diesem Wissen, können die beiden Fälle, um die es hier geht, beurteilt werden,

Übernahme eines Tweets durch Klaas Häufer-Umlauf

Ende 2011 merkte die Texterin Ada Blitzkrieg, dass der folgende Tweet von Klaas Häufer-Umlauf wortwörtlich in der Sendung ZDF-neoParadise übernommen worden ist. Sie störte sich ganz besonders daran, weil sie mit Texten ihr Geld verdient.

Meines Erachtens ist der Text jedoch nicht urheberrechtlich geschützt. Seine Qualität steckt hier in der Gesellschaftskritik. Die Aufzählung der Kinder ist dabei nicht der sprachliche Finesse, sondern der Witzidee geschuldet.

Übernahmen aus dem Beitrag von Der Postillon

In „Der Postillon“ erschien der Beitrag „Neue Zeitform Futur III eingeführt, um Gespräche über Berliner Flughafen zu ermöglichen„. Darin dachte sich der Autor Stefan Sichermann eine Zeitform für Ereignisse aus, die wahrscheinlich nicht eintreten werden. In der Sendung „Titel, Thesen, Temperamente“ wurde zuerst die Idee hinter dem Beitrag kopiert. Wortwörtlich wurde dagegen nur ein Beispiel übernommen:

Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich gerade meine Koffer aufgegeben hätten gehabt.

Auch dieses Beispiel ist nach meiner Meinung nicht urheberrechtlich geschützt. Der Satz ist zwar ungewöhnlich, aber anders als oben im Beispiel von Karl Valentin fehlt ihm die nötige Individualität. Wenn jemand anders mit den Zeitformen hätte spielen sollen, wäre auch ein ähnlicher Satz dabei heraus gekommen. Der Humor ergibt sich also eher aus der „Futur III“-Idee, als aus dem Text alleine. Und Ideen sind eben nicht geschützt. Auch für einen Schutz als Konzept fehlt es an Details, man kann die Futur III-Idee z.B. nicht mit einem Buchexposé voller Charaktere vergleichen.

Wer ist im Recht?

Der Fall von Dieter Moor hat eine besondere Brisanz, weil der Moderator sich für das Urheberrecht, als geistiges Recht, einsetzt und sich zugleich an Ideen anderer bedient. Rechtlich gesehen mag man sich durchaus streiten inwieweit ein ausformuliertes „Humorkonzept“ urheberrechtlich geschützt ist. Moralisch darf und sollte sich jeder sein eigenes Urteil bilden.

Titel Thesen Temperamente vs Der Postillon – Ist Humor urheberrechtlich geschützt?
Mit dem ersten Satz hat die Redaktion Recht. Ob der zweite Satz auch zutrifft sei dahingestellt.

Fazit

Die beiden Beispiele zeigen, wie kompliziert das Urheberrecht sein kann. Auf der anderen Seite zeigen sie auch wie einfach sich Urheberrechtsverstöße mit der Wahl eigener Worte vermeiden lassen. Was bleibt ist jedoch ein moralisch verwerfliches Plagiat, das durchaus mehr Schaden anrichten kann als ein Rechtsverstoß. Es gibt Ex-Minister, die können ein Lied davon Singen.

*Hinweis: Ich schätze sowohl beide Moderatoren, wie auch den Postillion, sehr. (nach oben)

Der Postillon vs Titel Thesen Temperamente (TTT) – Ist Humor urheberrechtlich geschützt?
Nach oben scrollen