Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Rostock vom 27.06.2007 (Az: 2 W 12/07) sollte nicht falsch verstanden werden. Nicht die Seite selbst, sondern der suchmaschinenoptimierte Text wurde als ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk anerkannt.
Die Entscheidung ist nachvollziehbar und Google dient als Beweis der Schöpfungskraft.
Was ist ein Sprachwerk?
Sprachwerke nach § 2 Abs.1 Nr.1 UrhG sind solche Texte, die persönliche und geistige Schöpfungen darstellen. Damit ist gemeint, dass die Texte individuell und kreativ sind. Also mehr als bloße Fakten und Daten. Dazu zwei Beispiele:
Beispiel für kein Sprachwerk:
„Unsere Leistungen: Haftpflichtversicherung, Berufshaftpflichtversicherung, Bürohaftpflicht.“
Das ist eine ganz schön knappe, an den Fakten orientierte und unkreative Aufzählung. Und daher kein Sprachwerk.
Beispiel für ein Sprachwerk:
„Unsere Leistungen umfassen ein Paket an Versicherungsleistungen, mit dem Sie als Unternehmer jeden Tag beruhigt zur Arbeit und abends wieder ins Bett steigen können. Ob Haftpflichtversicherung, Berufshaftpflichtversicherung oder Bürohaftpflicht. Unser Schutz lässt sie an viele Dinge denken, Ihre Familie, Ihren Erfolg und den künftigen Urlaub. Woran sie nicht mehr denken sind Unfälle und Schäden. Daran denken wir für Sie.“
Das ist eine bildliche, individuelle und kreative Beschreibung, die aus der Masse hervor sticht. Und sie ist als Sprachwerk schützenswert.
Daher die Faustformel: Je länger ein Text ist und je mehr er über eine bloße Darstellung von Fakten hinausgeht, desto eher ist er ein Sprachwerk.
Der kreative SEO
Diese Faustformel ist nach der Entscheidung des Gerichts zu ergänzen: Ist ein gewöhnlicher Text suchmaschinen-optimiert, kann er ebenfalls ein Sprachwerk sein.
Im Fall unterschied das Gericht zwischen dem durchschnittlichen Webdesigner, der „routinemäßig, mechanisch-technisch und handwerklich arbeitet“ und dem SEO (Search engine optimizer, Der Suchmaschinenoptimierer), der mit besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten ein individuelles schöpferisches Werk schafft.
Die kreative Kraft liegt bei ihm in der Auswahl, Einteilung und Anordnung der Suchbegriffe. So schafft der SEO aus der Alltagssprache mit den plakativen und zielführenden Begriffen ein individuelles Sprachwerk.
Der Erfolg gibt dem SEO Recht
Die besonderen Fähigkeiten des SEO begründete das Gericht mit den Erfolgen bei Google. Dem Gericht lagen nämlich zwei Bildschirmausdrucke vor. Einmal vom Februar 2006, wo die Seite No.1 unter 10.100 anderen Einträgen war. Und einmal vom Juni 2006 wo sie No.3 unter 12.100 Einträgen war.
Allerdings ließ das Gericht offen, ob dieser Erfolg alleine auf der textlichen Optimierung lag oder nicht doch noch andere Faktoren (Wie z.B. eingehende Links oder Alter der Domain) zu den Spitzenplätzen führten. Denn nur die textliche Optimierung darf als Begründung für die Qualität eines Sprachwerks herangezogen werden.
Diese Begründung des Gerichts erinnert an die Argumentation für den urheberrechtlichen Schutz von Alltagsgegenständen als Kunst (Die Ready-Mades, z.B. das Urinal von Marcel Duchamp). Hier sah man die Kreativität ebenfalls in der Auswahl und Anordnung der Alltagsgegenstände. Und die Präsentation in Ausstellungen sowie die Anerkennung durch die Fachwelt als Indizien für ein Kunstwerk.
Also sind die SEOs in guter Gesellschaft. 😉
Wow. Das ist ein entscheidender rechtlicher Schritt. Ist mir einen Beitrag auf SEOigg wert:
http://www.seoigg.de/gericht-bestatigt-suchmaschinenoptimierung-literatur
Das hebt auch automatisch die Bedeutung derjenigen, die >sinnvolle
Endlich ist es raus – SEOs sind Künstler!
@Linkaufbau: Hat das jemals jemand bezweifelt ? 😉
Ich finde es bloß sehr schade, dass den Gerichtsurteilen keine Texte und Bilder beiliegen. Zwar findet man Beschreibungen im Sachverhalt, aber darin wird in der Regel auf Anlagen verwiesen, die dem Fall beilagen. Vielleicht weiß ja jemand welche Texte Gegenstand des Verfahrens waren?
… sehr, sehr gut erklärt.
Das Text bzw. Werbetext urheberrechtlich geschützt ist war mir bekannt.
Der hier sehr anschaulich und hervorragend verständlich niedergeschriebene SEO Vergleich war mir in dieser Art jedoch bisher völlig unbekannt.
SEO Texte zu kreieren, richtig gute und immer noch emotional stimulierende SEO Texte zu komponieren, dass ist knochenarbeit … und bei 500 Worten ganz sicher nicht „mal eben so zu schaffen“.
Gleichfalls sei hier zu bedenken, dass ein SEO Texter in den meisten Fällen das Unternehmen bzw das zu vermarktende / optimierende Produkt erst einmal kennen lernen muss.
Auch das Bedarf seiner Zeit, denn ich kann als SEO Texter keine guten SEO Texte schreiben, wenn mir die Nähe zum Angebot fehlt.
In diesem Sinne, liebe Grüße aus Hamburg!
Andreas Herrmann
Wenn der SEO Künstler ist dann wirkt sich dieses aber ja auch auf das Gewerbe aus, sowie auch die Steuereliche Seite, oder?
@jan: Urheberrechtlicher Schutz macht aus einem SEO nicht automatisch einen Künstler. Das Urheberrecht befasst sich lediglich mit dem Werk, nicht dem Künstler. Wenn ich z.B. eine kreative Klage in Reimform schreibe, wird sie höchstwahrscheinlich als Schriftwerk nach dem Urheberrecht geschützt sein. Ob ich nun nach dem Steuer-, Gewerbe- und Sozialrecht auch eine künstlerische Tätigkeit ausübe, kann ich nur anhand des Steuer-, Gewerbe- und Sozialrechts bestimmen. Hier wäre meine Tätigkeit z.B. nach dem Steuerrecht als rechtsberatend und nicht als künstlerisch einzuordnen.
Ist dieses „künstlerische“ SEO -Werk dann nicht ein auch ein Fall für die Künstlersozialkasse ? Ich hoffe nicht….:)
Ist die Rechtssprechung dem Urteil des Oberlandesgerichts Rostock gefolgt? Sind meine Suchmaschinenoptimierung-Texte automatisch ein Sprachwerk und damit schützenswürdig? Sehr interessantes Urteil!
Das Urteil finde ich genau richtig, da es „Textkunst“ mit „Musikkunst“ oder ähnlichem gleichsetzt.
Es ist nun mal ein Unterschied, ob man ein Chartshit landet – bei den Musikcharts oder bei den „Googlecharts“, oder ob man 0815-Werke vom Stapel lässt.