Haben Sie den Schlagabtausch auf Twitter zwischen der Telekom und deren Kunden Griesgrämer auf Twitter mitbekommen? Er ist ein Musterbeispiel für einen Kundendialog, der zu einem Marketingerfolg wurde.
Doch nicht nur die Telekom und der Kunde nahmen an dem Gespräch teil. Später schaltete sich auch Rossmann dazu und empfahl der Telekommitarbeiterin Anna Baldriankapseln aus eigenem Sortiment. Anschließend beteiligte sich auch noch der Telefonhersteller HTC und warb für sein Smartphone.
Der Fall zeigt also nicht nur, dass Kundendialoge eine Menge Aufmerksamkeit auf sich ziehen können, sondern auch, dass andere Unternehmen gerne an dieser Aufmerksamkeit partizipieren. Als ich von @Snoopsmaus gefragt wurde, ob sie das auch dürfen, war schnell klar, die Antwort bedarf einiger rechtlicher Überlegungen.
In diesem Beitrag möchte ich daher die rechtlich spannende Frage beantworten, ob diese „Einmischung“ in den Kundendialog erlaubt ist oder ein verbotenes Ambush Marketing darstellt. Weil diese Problematik rechtlich noch neu ist, interessiert es mich sehr, ob Sie meiner Meinung zustimmen.
Was ist Ambush Marketing?
Der Begriff „Ambush Marketing“ kommt aus dem Sportbereich und wird von der Wikipedia wie folgt definiert:
Unter Ambush Marketing (auch Parasite Marketing oder Schmarotzermarketing) versteht man abwertend Marketingaktivitäten, die darauf abzielen, die mediale Aufmerksamkeit eines Großereignisses auszunutzen, ohne selbst Sponsor der Veranstaltung zu sein. […] Ambush Marketing wird als eine Unterform des Guerilla-Marketing angesehen.
Dabei geht es z.B. um Unternehmen, die ohne offizieller Sponsor zu sein, einen Zeppelin mit eigenem Logo über einem Fußballstadion schweben lassen oder massenweise Baseballcaps mit eigenem Logo kostenlos an Stadionbesucher verteilen (weitere Beispiele).
Vorliegend geht es zwar nicht um ein sportliches Event, aber die Prinzipien sind ähnlich.
Ambush Marketing und Recht
Rechtlich ist dem Ambush Marketing gar nicht so einfach beizukommen. Dabei wird insbesondere auf das Markenrecht und das Wettbewerbsrecht zurückgegriffen. So dürfen geschützte Marken nicht verwendet, Teilnehmer nicht getäuscht oder das Verhältnis zwischen Unternehmen und deren Kunden gestört werden. Als effektives Mittel setzen die Veranstalter auch auf das Hausrecht und verbieten z.B. fremde Werbung in Stadien und deren Umgebung (Bannmeile).
Auch der anfangs erwähnte Kundendialog der Telekom war ein Event, das die Aufmerksamkeit nach sich zog. Markenrechtlich sehe ich dabei keine Probleme, aber mögliche Wettbewerbsverstöße durch Rossmann und HTC, die dem Gespräch beigetreten sind.
Markenmäßiger Gebrauch: Ein Markenverstoß liegt nur vor, wenn eine fremde Marke „markenmäßig“ benutzt wird. Das heißt die Marke wird zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen verwendet. Vorliegend wurde der markenrechtlich geschützte Begriff „Telekom“ in „@Telekom_hilft“ nur zur Adressierung der Telekommitarbeiterin, also nicht markenmäßig benutzt.
Vergleichende Werbung, Herabsetzung und Behinderung von Mitbewerbern
Die Bezugnahme auf Mitbewerber wird immer dann problematisch, wenn Sie dem Mitbewerber schadet. Nehmen wir an, auch ein direkter Konkurrent der Telekom (z.B. O2, E+ oder Vodafone) hätten sich in das Gespräch eingemischt und folgenden Tweet gesendet:
„@Griesgraemer @Telekom_hilft Wir ziehen es gleich vor angenehme AGB ohne versteckte Klauseln zu haben„
Eine solche Aussage wäre gleich mehrfach verboten:
- Vergleichende Werbung – Diese liegt vor, wenn Unternehmen sich oder deren Produkte vergleichen. Solche Vergleiche sind nur erlaubt, wenn objektive und für die Entscheidung des Verbrauchers relevante Punkte vergleichen werden. Ob AGB „Angenehme“ sind ist weder objektiv vergleichbar noch dürfte dies eine Kaufentscheidung beeinflussen (§ 6 UWG).
- Mitbewerber herabsetzen – Die obigen Aussage erweckt den Eindruck, Telekom versucht im Kleingedruckten zu tricksen und setzt das Unternehmen herab (§ 4 Nr.7 UWG).
- Gezielte Behinderung – Daneben kommt auch eine gezielter Behinderung von Mitbewerbern durch Einmischung in den Kundendialog mit kritischen Beiträgen über das Unternehmen in Betracht (§ 4 Nr.10 UWG).
Die Beiträge von Rossmann und HTC kritisierten weder die Telekom, noch setzten sie deren Beiträge herab. Aber sie könnten für den Kunden und die Telekom belästigend gewesen sein, weil sie Aufmerksamkeit auf eigene Produkte gelenkt haben.
Vergleiche mit Mitbewerbern – Jegliche Art sich besser als die Mitbewerber zu stellen, ist rechtlich riskant. Das gilt für konkrete („Wir liefern schneller als X„) als auch abstrakte Vergleiche („Wir liefern am schnellsten„). Daher weise ich bei jeder Schulung von Social Media Managern darauf hin, dass sie Mitbewerber am besten nie erwähnen sollen.
Unerwünschte Werbung
Auch bei der direkten Ansprache von Nutzern in Social Media kann es sich um unerlaubten Spam handeln (§ 7 Abs.2 Nr.3 UWG). Dieser liegt vor, wenn Nachrichten direkt an Nutzer gesendet werden, so dass diese sich denen nicht entziehen können. Ebenso ist die Werbung innerhalb von Beiträgen auf fremden Onlinepräsenzen (z.B. auf fremden Facebookseiten) verboten.
Spam in Social Media: Zu Mentions als SPAM habe ich bereits „Direktmarketing und Nutzeransprache in Social Media – wann liegt abmahnbarer Spam vor?“ Stellung bezogen. Ich war der Meinung, dass Mentions dann Spam darstellen, wenn sie ohne einen kommunikativen Bezug verwendet werden. Das heißt, wenn deren Zweck darin liegt die Aufmerksamkeit des Nutzers für eigene Werbezwecke zu erregen.
Es ist sehr schwer zu sagen, wann es sich noch um einen kommunikativen Beitrag handelt oder um Werbung unter dessen Deckmantel. Dabei müssen die folgenden Faktoren berücksichtigt werden:
- Social Media hat kommunikativen Charakter – Die Diskussionen sind öffentlich und wer in Social Media mit Kunden diskutiert muss damit leben, dass andere mit einsteigen. Das ist nicht mit einem Kundengespräch in einem „echten“ Laden zu vergleichen. Wer das nicht will, der kann Kunden auf geschlossene Hotlines verweisen.
- Unternehmen werben immer – Werbung ist ein weiter Begriff und bedeutet jede Tätigkeit, die der Absatzförderung dient. Damit sind praktisch alle Aussagen, Kommentare und Meinungen eines Unternehmens werbend. Damit käme das Verbot werbender Kommunikation praktisch dem Verbot jeglicher Kommunikation und damit einem Verstoß gegen die Meinungsfreiheit gleich.
Damit kommen wir zu derselben Frage, die schon in dem Beitrag „Anleitung zur Werbung mit Politikern & Prominenten – Geld sparen wie Sixt mit #Neuland?“ maßgeblich war: Wann rechtfertigt die Meinungsfreiheit werbende Aussagen?
Meinungsfreiheit als Rechtfertigung für werbende Aussagen?
Im Fall der Sixt-Werbung betonte das Gericht, dass das hohe Interesse der Allgemeinheit an öffentlich relevanten Ereignissen die Inanspruchnahme von Prominenten für Werbezwecke rechtfertigen kann. Dabei muss die Werbung im Hintergrund stehen.
Vorliegend handelt es sich um Kundengespräche, also nicht um Ereignisse, die mit einer Kanzlerinnenansprache (#Neuland) oder einem Ministerrücktritt zu vergleichen sind. Das heißt, die rechtfertigende Wirkung der Meinungsfreiheit ist weitaus geringer. Daher darf der Beitrag nur dann werbende Aussagen enthalten, wenn sich diese sich nicht vermeiden lassen.
Aus diesem Grund halte ich sowohl die Aussagen von Rossmann, als die von HTC für wettbewerbswidrig. Sie hätten genauso gut erfolgen können, ohne dabei auf die eigenen Leistungen hinzuweisen. Hier meine Änderungsvorschläge zur Verdeutlichung:
- Rossmann – „@Telekom_hilft Hey Anna, wie wäre es mit ein paar Baldrian Kapseln
bekommst du übrigens bei uns.😉 /sa„ - HTC – „@Griesgraemer Wie wär’s mit ein wenig Metallica oder Disturbed zum Abregen?
Gut kommt das mit dem #htcone & #HTCBoomSoundcc @Telekom_hilft„
Die Werbewirkung, die daraus entsteht, dass Nutzer Rossmann und HTC wahrnehmen und die Marken mit Baldrian oder Smartphonelautsprechern verbinden ist zulässig, da unvermeidbar. Das ist zumindest meine Meinung, für die ich jedoch eine Rechtfertigung habe.
Manchmal muss das Recht harte Grenzen ziehen
Betrachtet man die Reaktion von @Telekom_hilft auf den Tweet von Rossmann, dann wirkt mein Ergebnis falsch. Es davon auszugehen, dass @Telekom_hilft sich nicht belästigt fühlte. Warum sollte der Tweet dann verboten sein?
Notwendigkeit harter Grenzen – Oft kann man rechtliche Entscheidungen nur dann verstehen, wenn man die Zusammenhänge und die Konsequenzen betrachtet. Zum Beispiel verteidigen sich Versender unerwünschter Werbeemails sehr oft damit, dass es ein internes einmaliges Versehen war oder eine E-Mail nicht belästigend ist. Das ist im Einzelfall nachvollziehbar und kann durchaus zutreffend sein. Aber stellen Sie sich vor, Sie erhalten 1.000 Spam-Emails und jeder Versender kann sich auf diese Argumente berufen.
Ähnlich wie in dem Spamfall würde eine weniger strenge Linie auch die folgenden Tweets erlauben:
- @Griesgraemer @Telekom_hilft Wie wär’s mit einer entspannenden Autofahrt? Z.B. mit unserem neuen #BMWCabrio
- @Griesgraemer @Telekom_hilft Wie wär’s mit einem Entspannungsschlaf? Wir haben gerade neue #Wasserbetten im Angebot
- @Griesgraemer @Telekom_hilft Mit Liebe lässt sich jede Unstimmigkeit lösen! Schaut doch mal in unseren Erotikkatalog hinein! 🙂
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, aber ich hoffe man sieht worauf ich hinaus will. Erlaubt man, sich mit nicht notwendigen werbenden Zusätzen in fremde Diskussionen einzumischen, wird der Kunde praktisch als Zielscheibe fremder Werbung ausgeliefert. Und das würde das Verhältnis zwischen Kunden und Unternehmen schädigen, was zu den folgenden Reaktionen führen kann.
Rechtsfolgen
Werden solch werbende Diskussionsbeiträge innerhalb eigener Onlinepräsenzen hinterlassen, dürfen sie entfernt werden. Grundlage hierfür ist das virtuelle Hausrecht, welches erlaubt sich gegen rechtswidrige Maßnahmen zu verteidigen. So dürften solche Kommentare innerhalb eines Kundendialogs auf einer Facebookseite durch deren Betreiber gelöscht werden.
Außerhalb eigener Präsenzen, z.B. bei Tweets, die sich in das Gespräch einklinken, bleibt nur der Weg über eine Abmahnung des anderen Unternehmens, verbunden mit Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Ob man in der Praxis als Unternehmen wirklich so reagieren sollte, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
Checkliste und Praxistipps
Zusammenfassend möchte ich Social Media Managern die folgenden drei Tipps geben:
- Keine Einmischung in Kundendialoge von Wettbewerbern
- Keine Kritik am teilnehmenden Unternehmen oder Kunden
- Das Unternehmen und nicht den Kunden adressieren (s. Update unten)
- Keine Verweise auf die eigenen Angebote
Ich denke das ist einfach zu handhaben und der Rest liegt im Fingerspitzengefühl sowie in der Branchenkenntnis. So herrscht in Social Media (zumeist) ein entspannter Umgangston zwischen Unternehmen und ein bisschen Frotzeln gehört dazu. Auch ist es manchmal der Fall, dass sich die Beteiligten untereinander kennen und sich dementsprechend mehr herausnehmen, ohne dass Dritte davon wissen.
Diese Nuancen zu kennen, macht gute Social Media Manager aus, weil sie ihnen einen Vorsprung vor der Konkurrenz geben. Daher sehe ich in den beiden Tweets von Rossmann und HTC auch kein Fehlverhalten der Mitarbeiter. Ganz im Gegenteil, nach einer Chancen/Risikoabwägung hätte ich die Tweets vielleicht auch frei gegeben. Es macht auch einen Unterschied, ob man als erster eine Grauzone austestet oder einer von vielen Nachfolgern ist, die dann als Belästigung wahr genommen werden.
Gentlemen’s Agreement – In manchen Branchen gehören Kabbeleien, die jenseits des rechtlich zulässigen sind, zum branchenüblichen Umgang. Zum Beispiel nachdem Audi darauf hinwies, dass die Audi-Ringe „Liebe“ symbolisieren können, entgegnete Mercedes, dass der Stern „Sex“ bedeutet. Die Grenzen solcher Neckereien sollten jedoch nicht ohne vorherigen juristischen Rat oder die nötigen Rücklagen ausgelotet werden.
Fazit und Umfrage
Die öffentliche Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden macht das Wesen von Social Media aus. Zur öffentlichen Kommunikation gehört wiederum, dass sich andere Unternehmen an dieser Kommunikation beteiligen. Jedoch sollten sie dabei weder die Beteiligten kritisieren, noch für die eigenen Leistungen werben.
Die hier beleuchteten Beispiele mögen meiner Meinung nach die Grenze überschritten haben. Jedoch zeichnen gerade Pionierleistungen beim Austesten rechtlicher Grauzonen sehr oft erfolgreiches Marketing aus. Zudem interessiert es mich, ob Sie es genauso sehen:
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Hinweis: Mir ist ein Teil der Beteiligten in diesem Beitrag persönlich bekannt, jedoch erfolgten alle Aussagen unbeeinflusst hiervon.
Update 04.07.2013
Danke sehr für die Resonanz, Diskussionen und die Hinweise zu dem Beitrag. Die Umfrage ist sehr deutlich ausgefallen (obwohl der Punkt „beide Tweets enthalten Werbung“ fehlte). Nur 2% störten sich an der Nachricht von Rossmann, 69% an der von HTC.
Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass Rossmann @Telekom_hilft, HTC dagegen direkt den Kunden der Telekom angesprochen hat. Nicht nur von der Wahrnehmung her, sondern auch rechtlich macht dies viel aus. Wo im Fall von Rossmann allenfalls unerwünschte Werbung gegenüber der Telekom vorliegen könnte, kommt bei HTC die Störung der Kundenkommunikation hinzu.
Damit komme ich zu der Folgenden Risikoeinschätzung:
- Wer sich ein Beispiel an Rossmann nimmt, der geht ein sehr geringes Risiko ein.
- Dagegen sollte das Vorgehen von HTC kein Beispiel sein.
[callto:marketing]