Am Wochenende präsentierte ich die Session „Communities und Recht“ bei dem großartigen Community Camp Berlin 2009. Da die Teilnehmer viel interessierter waren, als ich es mir vorgestellt habe (Danke für die tollen Reaktionen), wurde die Zeit gegen Ende richtig knapp.
Aber wie versprochen reiche ich die Session hier nach. Ich habe sie nachträglich nochmal besprochen und daraus ein „Slidecast„ gebastelt. Klingt noch ziemlich holprig, aber fürs erste Mal bin ich zufrieden. Danke an Andreas Pilz und Ralf Zosel, der ein Interview mit mir geführt hat, für die Tipps!
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Kurz zum Inhalt
Die Session schritt eine Community-AGB ab und nahm Stellung zu Voraussetzungen rechtmäßiger AGB, empfehlenswerten Inhalten sowie rechtlichen Problemen, wie z.B. Haftung oder Meinungen und Tatsachen.
Die Session richtet sich an
- angehende Communitybetreiber, damit sie sich über die Inhalte von AGB Vorstellungen machen können
- oder bestehende Communities, die ihre AGB besser verstehen oder verbessern möchten sowie
- auch an Communitymitglieder, die gerne wüssten was einzelne Klauseln bedeuten
Ich erhebe keinen Anspruch auf Perfektion oder Vollständigkeit und freue mich sehr über Kommentare, Anregungen und Ergänzungen.
Vertiefung bei:
- Henning Krieg, LL.M. „Herausforderungen bei der Gestaltung der AGB für Web 2.0-Angebote„, Herbstakademie 2009 (mehr tolle Vorträge)
- Web 2.0 & Recht, Dr.Ulbrich, „Verwendung von User Generated Content“ und „Haftung für User Generated Content – Grundsätze und Hinweise für die Praxis„
- Law Podcasting, Dr.Bahr, „Das virtuelle Hausrecht„
Hier ist auch das Transkript, falls jemand lieber liest als zuhört: [spoiler]
Willkommen zum Slidecast der Session „Communities und Recht“ vom CommunityCamp Berlin 2009. Mein Name ist Thomas Schwenke und ich wünsche viel Spaß beim Zuhören und Zusehen.
Um alle rechtlichen Aspekte einer Community abzudecken würde es sicherlich mehrere Slidecasts brauchen. Wir beschränken uns hier daher auf das Vertragsrecht, also die Ausgestaltung der Beziehungen zwischen dem Communityanbieter und den Communitymitgliedern, was rechtlich gesehen das Kernstück des Communityrechts ausmacht.
Dabei werden wir uns an den wesentlichen Punkten von typischen Community-AGB orientieren und im Rahmen dieser die rechtlichen Probleme ansprechen.
Die allererste Frage, die in diesem Zusammenhang fällt, ist simpel und lautet: „Muss ich als Communitybetreiber AGB haben“? Die Antwort lautet „Nein, doch besser wäre es“. Warum?
Ohne Allgemeine Geschäftsbedingungen, also AGB, werden alle rechtlichen Problemstellungen durch das Gesetz entschieden. Doch das Gesetz hat einen wesentlichen Nachteil – es ist sehr abstrakt und lässt of viele verschiedene Ansichten zu.
Wenn zum Beispiel ein Mitglied einem virtuellen Tourettesyndrom verfallen ist und ständig mit vulgären Begriffen um sich schmeißt möchte man es am liebsten sofort kündigen. Schaut man ins Gesetz, steht dort etwas vom „wichtigen Grund“, der zu sofortiger Kündigung berechtigt. Bei der Frage, ob Fluchen ein wichtiger Grund ist, wird das Mitglied sicherlich eine andere Rechtsansicht vertreten als der Anbieter. Und schon gehen Zeit und Arbeit für unnötige Diskussionen verloren.
Stünde dagegen in den AGB, dass wiederholtes Verwenden von vulgären Worten zur sofortigen Kündigung berechtigt, wäre der Fall schnell mit dem Verweis auf die AGB erledigt.
Daher sollte man zusehen, dass alle möglichen Konfliktpunkte von vornherein durch die AGB abgedeckt sind. Dabei können AGB eingesetzt werden, um die Beziehungen zwischen dem Anbieter, hier symbolisiert durch das Communitymanagement oben, und den Nutzern, hier rechts, sowie den Nutzern untereinander zu regeln.
Dagegen ist es nicht möglich per AGB die Rechtsbeziehung des Communitybetreibers oder der Nutzer zu den Dritten zu regeln. Dritte, hier auf der linken Seite, sind diejenigen, die gegen den Communitybetreiber vorgehen wollen, weil sie sich zum Beispiel von den Nutzern beleidigt oder in deren Urheberrechten verletzt fühlen. Also sind Dritten quasi die Antagonisten in diesem Screencasts. Zumindest, wenn es später um die Haftung geht.
Und nachdem uns die Bedeutung der AGB nun klar ist, schauen wir im nächsten Punkt was man bei deren Formulierung sowie Verwendung tun und was man besser lassen sollte.
Als allererstes sollten wir erläutern, was AGB überhaupt sind. Immerhin sind sie die Hauptakteure hier. Kurz gesagt sind AGB alle Regeln, Vorschriften und Vereinbarungen, die den Mitgliedern vorformuliert vorgelegt werden.
Dabei müssen sie keineswegs als Allgemeine Geschäftsbedingungen bezeichnet werden. Der Text auf der Registrierungsseite ist eine AGB, Nutzungsbedingungen eines Forums auch, ebenso wie die Netiquette im Chat. Und ganz klar auch die AGB die das Mitglied vor Abschluss der Registrierung bestätigen muss. Nur wenn etwas individuell mit dem Nutzer ausgehandelt wird, liegt keine AGB vor. Da dies eher die Ausnahme ist, sind daher fast alle Vereinbarungen mit den Mitgliedern zugleich auch AGB.
Und nun kommen wir zu den gesetzlichen Anforderungen an die AGB. Diese sollte man immer vor den Augen haben.
Wenig problematisch ist die Einbeziehung der AGB. Damit ist gemeint, dass die AGB nur dann wirksam sind, wenn es für das Mitglied deutlich erkennbar ist, dass sie Vertragsbestandteil werden sollten. Heute wird dies bei jeder Registrierung mit einer Checkbox zum Anhaken und dem Text „Ich bin mit den AGB einverstanden“ erledigt.
Jedoch sollte man auch darauf hinweisen, dass unter Umständen weitere AGB hinzukommen können. Zum Beispiel AGB bei einem angeschlossenen E-Shop oder Forenregeln.
Viel problematischer ist der zweite Punkt. Die AGB müssen nämlich transparent und nicht überraschend sein. Der Gesetzgeber weiß, dass die meisten AGB nicht gelesen werden und macht folgenden Handel: Der Nutzer muss sich die AGB gefallen lassen, auch wenn er sie nicht liest. Dafür darf der Anbieter keine Überraschungen drin verstecken. Sei es weil sie unerwartet sind oder weil der AGB-Text so kompliziert ist und womöglich zig Verweise enthält, so dass ihn keiner versteht.
Ein Beispiel für überraschende Klauseln (hier kurz eingefügt, Klauseln sind die einzelnen Bestandteile der AGB) sind Mitgliedschaftsgebühren, wie sie in letzter Zeit im Internet unter dem Begriff „Vertragsfallen“ kursierten. Da werden die Nutzer verleitet sich für einen Dienst anzumelden und erfahren erst per Rechnung, dass in den AGB eine Mitgliedschaftsgebühr stand. Das ist überraschend und damit unzulässig. Und auf unzulässige AGB kann man sich nicht berufen.
Ebenfalls dürfen Mitglieder nicht unangemessen benachteiligt werden. Dieser Punkt ist insbesondere bei Vertragsstrafen zu berücksichtigen, die sich immer wieder in den AGB finden.
Bei der Bemessung derer Höhe muss man sich fragen, welche Vorteile die Mitglieder durch die Community haben und wie groß dass Risiko für den Betreiber ist.
Daher wäre eine Vertragsstrafe von 300 Euro fürs Fluchen in einem allgemeinen Meinungsforum unangemessen. Dagegen sind der Vorteil für die Mitglieder und das Betreiberrisiko zum Beispiel bei einer Musiktauschplattform hoch, so dass hier 300 Euro bei Urheberrechtsverstößen durchaus angemessen klingen.
Das dieser Punkt rechtlich, auch für Juristen, besonders knifflig ist, sollte insbesondere bei außergewöhnlichen Regeln und neuen Geschäftsmodellen immer ein fachlicher Rat eingeholt werden.
Und als vorletztes sollte bedacht werden, dass Richter bei der Prüfung von AGB-Klauseln immer den schlimmsten Fall zuungunsten der Mitglieder annehmen.
Das klingt kompliziert, daher spinnen wir das obige Beispiel fort:
Angenommen bei dem Fall mit der Vertragsstrafe wären 300 Euro angemessen, aber der Anbieter will sich den Spielraum offen halten und schreibt statt eine Summe zu nennen nur „bei Verstoß ist der Nutzer zu einer Vertragsstrafe verpflichtet“ hin.
Das wird der Richter wie folgt lesen „Bei Verstoß ist der Nutzer zu einer Vertragsstrafe nach der Vorstellung des Anbieters, z.B. 10000 Euro verpflichtet“, weil er den schlimmsten Fall für das Mitglied annimmt. Daher Obacht! Werden keine festen Summen oder konkrete Pflichten genannt, müssen immer Worte wie „angemessene Vertragsstrafe“ oder „unter Berücksichtigung der schützenswürdigen Interessen des Mitglieds“ fallen. Dadurch bleibt die AGB flexibel, ist aber rechtlich zulässig.
Wir können das Beispiel auch nutzen, um die letzte Frage zu beantworten: „Was passiert mit unzulässigen AGB?“ Wie ist es in unserem Fall? Wird der Richter die AGB-Klausel auf die angemessenen 300 Euro reduzieren? Nein, keineswegs. Eine unangemessene oder rechtswidrige Klausel wird komplett gestrichen! Sprich, der Anbieter hat letztendlich gar keinen Anspruch auf die Vertragsstrafe.
Daher ist es überflüssig am Ende der AGB einen Satz hinzuschreiben wie in etwa „Sollten einzelne Bestimmungen nicht gelten, sind sie nach der Vorstellungen beider Parteien und der wirtschaftlichen Interessen auszulegen“. Gilt nicht. Die Klausel wird trotzdem gestrichen. Wie auch dieser Satz.
So, jetzt wissen wir auch, worauf wir bei den AGB achten müssen. Daher können wir nun zu dem wichtigsten Teil schreiten – Den Inhalten von Community-AGB. Den auch hier gilt, Content ist King.
Am Anfang steht die Frage, wen man überhaupt in die Community aufnehmen möchte. Hier empfiehlt es sich in den AGB klar und deutlich einzugrenzen, wer hinein darf und wer nicht.
Zum Beispiel bestehen gegenüber Minderjährigen höhere Fürsorgepflichten und wegen derer Unerfahrenheit sind geschäftliche Erklärungen und datenschutzrechtliche Einwilligungen Minderjähriger oft beschränkt oder erst gar nicht wirksam. Möchte man diese Unsicherheiten vermeiden, sollte man Minderjährige ausschließen.
Oder man möchte nur bestimmte Gruppen zulassen, um die Qualität der Community sicherzustellen. Z.B. in einer Schülercommunity oder einer Community für Ärzte. Oder man möchte die Vorteile der Community nur Privatpersonen zur Verfügung stellen.
Vorsicht ist dagegen bei negativer Ausgrenzung von Personen geboten, z.B. kein Jurist darf Mitglied werden. Ist die Gruppe nicht klar eingrenzbar, kann die Regelung wegen Widersprüchlichkeit und Intransparenz unwirksam sein. Zählen z.B. Jurastudenten zu Juristen? Oder Menschen, die ehrenamtlich juristische Hilfen leisten?
Ferner sollte man sich klar sein, dass diese Regelung nur eine rechtliche Wirkung hat. Kennt man die Identität eines Mitglieds nicht, wird sie schwer durchzusetzen sein.
Ebenfalls sollten die AGB genutzt werden, um den Vertragsgegenstand, also das was den Mitgliedern geboten wird, festzulegen. Dadurch vermeidet man, dass die Mitglieder auf bestimmten Funktionen bestehen und so eine unnötigen Diskussions- und Rechtfertigungsaufwand bereiten.
Daher sollte das Angebot „Service as it is“ lauten. Das bedeutet, das Mitglied hat nur einen Anspruch auf eine Community, wie sie gerade beschaffen ist und muss etwaige Veränderungen in der Zukunft oder gar Einstellungen hinnehmen.
Aus Gründen der Transparenz, wir erinnern und an das Transparenzgebot, sollten jedoch die künftigen Veränderungen oder Gründe, die zur Veränderungen führen, beschrieben werden. Zum Beispiel „technische Entwicklungen“, „Einführung von kostenpflichtigen Inhalten“, „Wünsche der Nutzer“, etc. Es ist klar, dass man nicht die Zukunft vorhersehen kann, aber man sollte unbedingt den Eindruck von Willkür vermeiden.
Ferner ist es nicht notwendig, dass der derzeitige Service in allen Einzelheiten beschrieben wird. Es reicht, dass die groben Funktionen definiert werden, wie „Die Community bietet den Mitgliedern einer Möglichkeit gemeinschaftliche Aktivitäten zu organisieren und unterstützt dies mit Applikationen, die der Entscheidungsfindung dienen“. Solche Formulierungen lassen automatisch Raum für Entwicklungen, sind aber hinreichend transparent für die Mitglieder.
Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit des Anbieters können sich zudem ergeben, wenn es sich um einen bezahlten Service handelt und die Nutzer so ein höheres Interesse am Bestand des Dienstes haben. Dies muss jedoch im Einzelfall gewürdigt werden.
Nun zu den Mitgliederdaten.
Hier sollte geregelt werden, ob die Mitglieder anonym auftreten oder wahre Angaben über deren Identität machen müssen. Möchte man, dass die Mitglieder nur mit echten Daten unterwegs sind, z.B. bei einer Berufskontaktcommunity, ist diese Regelung notwendig, da das Gesetz eine anonyme Mitgliedschaft als Grundform vorsieht.
Zudem sollte klar dargelegt werden, dass Nachteile, die sich aus fehlerhaften Angaben ergeben, zu Lasten der Mitglieder gehen. Zum Beispiel wenn die Emailadresse falsch ist und eine Verwarnung oder Gewinnspielbenachrichtigung nicht zugehen konnte.
Ebenso sollten die Mitglieder darauf hingewiesen werden, dass sie sich nur einmal anmelden dürfen (sofern das gewünscht ist), ihre Daten nicht an Dritte weiter geben dürfen und auf das Passwort aufpassen müssen. Diese Hinweise erleichtern die Lösung von Haftungsproblemen, bei denen sich z.B. ein Dritter mit den Daten eines Mitglieds eingeloggt hat.
Der nächste Punkt ist etwas komplizierter. Es geht um die Rechte, die Mitglieder dem Communityanbieter an den von ihnen geschaffenen Inhalten gewähren.
Fast in allen Community-AGB findet sich eine Klausel, die besagt, dass „Das Mitglied dem Anbieter alle unentgeltlichen, weltweiten, zeitlich unbeschränkten, unterlizenzierbaren Rechte an den vom Mitglied geschaffenen Inhalten zur Vervielfältigung, Verbreitung, Bearbeitung usw. und so fort, bietet“.
Doch was bedeutet dies? Heißt es, der Communityanbieter darf z.B. Fotografien der Nutzer verkaufen oder in Zeitschriften Werbung mit Nutzernamen und Fotos schalten? Es kommt drauf an.
Was diese Rechtegewährung zunächst erlaubt, ist eine vereinfache Verwaltung der Inhalte innerhalb der Community. Beiträge, Fotografien und Bilder der Nutzer dürfen verändert, gelöscht oder anders organisiert werden.
Eine andere Frage ist, ob man diese Inhalte außerhalb der Community nutzen kann. Im Prinzip ja, aber man sollte sich der Gefahren bewusst sein:
• Zum Beispiel müssen zusätzlich Einwilligungen eingeholt werden, um auch den Namen des Mitglieds zu verwenden.
• Bei Minderjährigen können solche Einwilligungen wie auch die gesamte Rechteübertragung unwirksam sein.
• Oder die von den Nutzern eingestellten Inhalte sind tatsächlich nicht von ihnen, sondern von Dritten erstellt und ohne Erlaubnis eingestellt worden sind.
• Wer zudem die Mitglieder als eine Art Arbeitskraft einspannt, muss damit rechnen, dass er unter Umständen sofort für alle Inhalte haftet. Um das Haftungsrisiko zu minimieren sollte man am Besten darlegen, welche Nutzungen vorgesehen sind oder, falls man keine andere Nutzung vorhat, klar und deutlich hinschreiben, dass die Rechteübertragung in erster Linie der Verwaltung dient.
Das Fazit lautet also, Nutzung der Mitgliederinhalte ist innerhalb der Community, kein Problem, außerhalb jedoch nur mit großer Vorsicht zu genießen.
Zudem sollte eine solche Rechteübertragung einen Passus enthalten der deutlich macht, dass sie nur „mit Rücksicht auf die schützenswerten Interessen des Mitglieds, wie Persönlichkeits-, Datenschutz und Urheberpersönlichkeitsrechte“ ausgeübt wird. Ansonsten wird der schlimmste Fall, zum Beispiel eine Verletzung der Rechte des Nutzers am eigenen Bild, angenommen, und die Klausel wird als unverhältnismäßig komplett gestrichen.
Nun kommen wir zu den Verhaltensregeln. Die Verhaltensregeln haben zwei wesentlich Funktionen.
Zum einem dienen sie der Gestaltung der Communitykultur. Wer eine Blümchencommunity möchte, verbietet jegliche nackte Haut, Kraftausdrücke und Diskussionen über brisante Themen. Als Anbieter hat man das Hausrecht und darf die Community nach eigenen Vorstellungen gestalten, solange man nicht widersprüchlich und willkürlich handelt.
Zum anderen dienen die Verhaltensregeln der Erfüllung von Fürsorgepflichten und vermindern Haftungsrisiken. Zum Beispiel sollten die Mitglieder angehalten werden andere nicht zu beleidigen oder Urheberrechte nicht zu verletzen.
Die Liste hier mag sehr lang wirken, jedoch bin im Laufe meiner beruflichen Laufbahn, all diesen Fehlverhalten schon oft begegnet.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Äußerungsregeln, also Meinungen und Tatsachen näher eingehen und paar Hinweise an die Hand geben. Diese sollte der Communitybetreiber nicht nur selbst beachten, sondern auch die Mitglieder zu deren Befolgung anhalten.
Die oberste Regel lautet, dass Aussagen über Dritte immer als persönliche Meinungen und nicht als Tatsachen formuliert werden sollten, es sei denn man ist sich zu 100% sicher, dass eine Tatsache stimmt.
Dem ist es so, weil Meinungen einen viel größeren Spielraum bei Aussagen bieten. Tatsachen unterscheiden sich von Meinungen dadurch, dass sie bewiesen werden können. Und wenn ein Dritter eine Tatsache anzweifelt, muss derjenige der sie behauptet hat nachweisen, dass sie stimmt. Dagegen sind Meinungen nicht beweisbar und der Ausdruck eigener Vorstellung.
Man muss sich das aus der Sicht einer Person vorstellen, die eine Äußerung hört oder liest. Wenn irgendwo steht „Unternehmen X hat seine Arbeitnehmer dazu gezwungen die Kunden zu täuschen“, dann glaubt diese Person, dass sei wahr. Wenn es dagegen heißt „Ich meine/glaube/habe das Gefühl das Unternehmen X zwingt seine Mitarbeiter dazu die Kunden zu täuschen“, dann weiß die Person, dass diese Aussage nur eine Meinung ist und es genauso gut anders sein könnte. Also dürfen Meinungen mehr, weil sie quasi einen Disclaimer „Das muss nicht stimmen“ mit sich tragen.
Doch Vorsicht, auch eine Meinung kann unzulässig sein. Das ist der Fall, wenn sie statt sachlich zu sein, auf eine Ehrverletzung abzielt und beleidigend wird. Insbesondere bei Kritik sollten heftige Meinungen mit Argumenten unterfüttert sein. So ist die Meinung „das Unternehmen X sei ein Betrüger“ zulässig, wenn ich z.B. beschreibe, dass ich meine Warenbestellungen immer verspätet und nach Mahnungen erhalten habe“.
Ferner sollte einem klar sein, dass die Wiedergabe fremder Behauptungen und Meinungen, ebenfalls in die Haftung führen kann. Daher sollte man sich entweder distanzieren oder in harten Fällen die Aussage ganz weglassen und sie mit eigenen Worten umschreiben.
Viele Communities setzen auf externe Moderatoren. Hier wird meistens ein Arbeits- oder ähnlicher Vertrag vorliegen, der deren Rechte und Pflichten beschreibt. Das sollte aber auch der Fall sein, wenn Communitymitglieder als Moderatoren eingesetzt werden.
Denn tun die Moderatoren etwas was sie nicht tun sollten, kann es sein, dass man für deren Taten haftet. Diese Haftung kann vermeiden werden, wenn man ihnen klar dargelegt hat was sie tun dürfen und was nicht. So kann man später darauf verweisen, dass ein Moderator außerhalb seines Kompetenzbereiches gehandelt hat und man daher für ihn nicht verantwortlich ist.
Daher sollten Rechte und Pflichten für Mods aus dem Mitgliederreihen ebenfalls in den AGB stehen.
All die Verhaltensregeln nützen wenig, wenn man den Mitgliedern nicht zugleich Konsequenzen androht. Diese müssen aber je nach Schwere des Verstoßes abgestuft und sachgerecht nach einer Abwägung ausgeübt werden. Es darf ja nicht der Eindruck von Willkür und Ungleichbehandlung aufkommen.
So bietet es sich an zunächst mit der Löschung von Inhalten zu beginnen, weiter eine Verwarnung auszusprechen, Nutzer zeitweilig zu sperren, zu kündigen oder gar ein Hausverbot auszusprechen. Es verlangt auch keiner, dass die AGB einen umfangreichen Konsequenzenkatalog enthalten, das einem Strafgesetzbuch gleich kommt.
Jedoch muss die Entscheidung angesichts des Verstoßes und dessen Erkennbarkeit für das Mitglied angemessen sein. So dürfen Mitglieder zum Beispiel wegen eines vulgären Wortes nicht gleich aus der Community geworfen werden. Haben sie dagegen andere Mitglieder sexuell belästigt, schon.
Hier empfehle ich das Mittel der Verwarnung oft einzusetzen. Hat zum Beispiel ein Mitglied ein böses Schimpfwort benutzt, wird ein Rauswurf nicht gerechtfertigt sein. Macht er das noch einmal ohne vorher verwarnt worden zu sein, bleibt ein Rauswurf nicht angemessen.
Hat man es aber nach dem ersten Mal mit den Worten „Du hast gegen das Verbot zu Fluchen verstoßen. Machst Du es noch ein Mal, wirst Du die Community sofort verlassen müssen“ verwarnt, wäre ein Rauswurf angemessen. Das ist ähnlich wie bei Kindern. Diesen muss man auch vorher deutlich machen, was sie nicht tun dürfen, bevor man sie bestrafen kann.
Ferner empfehle ich einen Hinweis darauf, dass bereits der konkrete und begründete Verdacht einer Regelverletzung ausreichen ist und ein gerichtsähnliches Verfahren mit Anhörung von Zeugen etc. nicht stattfindet.
Aber auch wenn das Verhalten des Mitglieds nicht zu sofortigen, so genannten außerordentlichen, Kündigung berechtigt, kann man auf eine ordentliche Kündigung zurückgreifen. Dazu mehr beim nächsten Punkt.
Die Kündigung ist die Beendigung der Communitymitgliedschaft.
Mitglieder dürfen sofort kündigen und sollten aufgeklärt werden, wie dies technisch geht.
Der Communitybetreiber kann dies auch, sollte aber dem Mitglied eine angemessene Frist geben, um z.B. die Inhalte zu speichern oder sich zu verabschieden. 14 Tagen dürften im Regelfall ausreichen. Das nennt man eine ordentliche Kündigung.
Eine außerordentliche und sofortige Kündigung setzt einen schweren Regelverstoß voraus, der einen sofortigen Rauswurf rechtfertigt. Diesen Fall haben wir vorhin bei den Konsequenzen besprochen.
Des Weiteren sollte in den AGB vereinbart werden, dass der Betreiber inaktive Mitglieder nach einer bestimmten Zeit ohne Begründung löschen kann. Diese Zeit muss ebenfalls angemessen sein. Ein Jahr Inaktivität ist fast immer angemessen, aber je nach Community können auch 6 Monate ausreichend sein.
Jetzt kommen wir wieder zu einem weiteren AGB-Highlight, nämlich der Haftung.
Der Communitybetreiber kann zunächst gegenüber seinen Mitgliedern haften. Das zum Beispiel, wenn diese innerhalb der Community beleidigt worden sind, deren Daten missbraucht wurden oder ähnliches. Die Haftung nach dem deutschem Recht ist sehr feinsinnig geregelt und in sehr vielen Fällen ausgeschlossen. Hier auf alle Punkte einzugehen würde viel zu lange dauern und setzt einen Fachmann voraus. Kurz kann jedoch gesagt werden, dass der Hinweis „Der Anbieter schließt jegliche Haftung aus“ unwirksam ist. Denn bei einer Auslegung im schlimmsten Fall, wir erinnern uns, könnte der Betreiber z.B. absichtlich alle Nutzerdaten missbrauchen und müsste nicht haften. Daher ist eine solche Klausel unangemessen und kann gleich weg gelassen werden.
Viel häufiger als die Haftung gegenüber den Nutzern, ist die Haftung gegenüber Dritten. Hier gibt es mittlerweile einigermaßen gefestigte rechtliche Grundsätze.
So haftet der Betreiber selbstverständlich für die von ihm selbst erstellten Inhalte. Aber er kann auch für die, von den Nutzern erstellten Inhalte haften, wenn er sich diese zueigen gemacht hat. Ein „Zueigenmachen“ liegt vor, wenn der Betreiber diese Inhalte offensichtlich befürwortet und duldet. So zum Beispiel, wenn er in eine Diskussion einsteigt, im Rahmen welcher falsche Tatsachen über jemanden behauptet werden. Hier macht er sich die Inhalte dieser Diskussion zueigen. Oder wenn er aus einem Mitgliedertext nur Teile herausstreicht, aber andere Teile stehen lässt und diese rechtsverletzend sind. Ein Zueigenmachen liegt auch nahe, wenn er Nutzerinhalte wirtschaftlich weiter verwertet und z.B. Bilder von Nutzer weiter veräußert. Wir haben dies bei der Gewährung von Nutzerrechten angesprochen.
Jenseits zueigengemachter Inhalte haftet der Betreiber für die von den Nutzern erstellten Inhalte erst ab Kenntnis. Sprich, wenn er die Inhalte gesehen oder ihn jemand drauf gestoßen hat. Daher sollte dieser berühmte und gut gemeinte Disclaimer „Wir prüfen alle Inhalte auf Rechtswidrigkeit, können aber für nichts garantieren“ weggelassen werden, da er als „Wir nehmen alle Inhalte zu Kenntnis“ verstanden werden könnte.
Zudem stellt sich die Frage, wie man bei nicht offensichtlich rechtswidrigen Inhalten reagieren soll. So zum Beispiel, wenn sich ein Unternehmen über eine polemische Kritik beschwert, diese aber noch angemessen erscheint. Hier wird es problematisch und es kommt auf die Einstellung des Communitybetreibers an. Möchte er kein Risiko eingehen, wird er den monierten Beitrag zumindest sperren, so dass er nicht sichtbar ist und später beraten ob der Beitrag endgültig gelöscht wird. Er kann sich aber auch sich vor das Communitymitglied stellen und dem Löschungsgesuch widersprechen. Dann ist er zwar ein Held, muss aber bei einem Irrtum zahlen.
Und weil die Haftung nur bei Kenntnis „zu einfach“ wäre, gibt es davon zwei Ausnahmen.
Zum einem Haftet der Anbieter, wenn die Rechtsverletzung eines Mitgliedes für ihn hätte ersichtlich sein müssen. Zum Beispiel, wenn er den Mitgliedern Tools an die Hand gibt, mit denen sie einfach Urheberrechte verletzen können, aber nicht für ausreichende Sicherheitsmaßnahmen sorgt. Oder wenn er eine Diskussion über ein brisantes Thema anstößt, z.B. eine heiß diskutierte Kritik an einem Unternehmen aufgreift und vielleicht schon selbst Worte wählt, die beleidigende Erwiderungen nur so einladen. Hier muss er die Mitglieder ständig im Auge behalten und deren Aussagen moderieren.
Die zweite Ausnahme sind die so genannten kerngleichen Verstöße. Das bedeutet, ist ein Verstoß begangen worden, muss der Communityanbieter zusehen, dass er Schritte unternimmt, damit so was nicht noch einmal vorkommt – sofern ihm das zumutbar ist. So muss er einen Nutzer, der wiederholt ein Unternehmen beleidigt, entfernen. Oder – falls möglich und zumutbar – Wortfilter benutzen. Schlimm ist dabei, dass die Begriffe „kerngleich, zumutbar und möglich“ schwammig sind und nur im Einzelfall entschieden werden können, so dass der Communitybetreiber sich oft zwischen Zensurvorwürfen seitens der Mitglieder sowie praktischen Einschränkungen des Communitybetriebs auf einer Seite und rechtlicher Sicherheit auf der anderen entscheiden muss.
Zusammengefasst ist man also nicht verpflichtet die Inhalte der Mitglieder zu überwachen, außer es besteht ein berechtigter Anlass dazu.
Bei Rechtsverstößen von Mitgliedern, könnten sich die Dritten auch sofort an das jeweilige Mitglied wenden. Diese sind aber schwer aufzutreiben oder oft nicht solvent und so führt der Weg fast immer direkt zum Communitybetreiber, der unter den soeben dargelegten Umständen haften kann.
Es liegt dann an ihm die Kosten für Schadensersatzzahlungen oder Rechtsanwaltsgebühren sich bei dem Mitglied wieder zu holen, worauf das Mitglied schon in den AGB hingewiesen werden sollte. Das nennt man eine Haftungsfreistellung.
Schlecht ist nur, dass die Probleme, wegen der der Dritte sich nicht an das Mitglied gewandt hat nun vor einem liegen. Oft wird der einzige Bezugspunkt zu einem Mitglied, dessen IP-Adresse sein, weil alle anderen Daten falsch oder nicht nachverfolgbar sind. Hat man die IP-Adresse, kann man beim Provider des Mitglieds unter Umständen dessen Identität erfahren. Jedoch wird ein Provider nie die IP-Adresse einfach so herausgeben, weil er es einfach von Gesetzes wegen nicht darf. Hier bleibt es nur eine Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen. Ist der Rechtsverstoß schwerwiegend genug wird die Staatsanwaltschaft sich an den Provider wenden und die Daten heraus verlangen. Dann kann man einen Antrag auf Akteneinsicht stellen und so die Identität des Mitglieds erfahren. Also insgesamt ein langes Verfahren, dass sich oft nicht lohnen wird.
Und wo wir bei der Haftung sind. Diese sollte man auch eingrenzen, wenn der Verdacht besteht, jemand könnte den eigenen Aussagen oder Aussagen der Mitglieder zu viel Wert beimessen. Daher sollte man sich von den Meinungen der Nutzer distanzieren und insbesondere bei Communities die der Beantwortung von Fragen oder Bewältigung von Problemen dienen, darauf hinweisen, dass die Inhalte unverbindlich sind.
Zudem können so auch Kollisionen mit Berufszulassungsrechten wie dem der Mediziner oder Juristen vermieden werden.
F
Und als krönenden Abschluss, geht es nun um die Aktualisierung der AGB. Ein Punkt der sehr häufig unzureichend oder falsch in den AGB geregelt wird.
Angesichts der Schnelllebigkeit des Internets und des Wandels von Geschäftsmodellen sowie technischen Anforderungen, sollte man sich immer die Änderung der AGB vorbehalten. Allerdings muss man diese für den Nutzer transparent genug gestalten. Daher muss man den Anschein der Willkür vermeiden und sachliche Gründe oder Pläne darlegen, die dem Nutzer zeigen, was für Änderungen erfolgen können. So zum Beispiel „technische Erfordernisse“ oder „Wünsche der Mitglieder“ oder „unbeabsichtigte Regelungslücken“, „Gesetzesänderungen“ etc. Da wir schon am Anfang bei der Beschreibung des Communityangebotes gesagt haben, dass wir das Angebot offen und flexibel halten wollen, kann kaum erwartet werden hier Einzelheiten zu nennen. Allenfalls ist hinzuzufügen, dass die Änderungen die berechtigten Interessen der Nutzer berücksichtigen werden.
Ferner muss in den AGB vereinbart werden, dass dem Mitglied per Email eine angemessene Frist, 14 Tage dürfen ausreichend sein, gegeben wird, innerhalb welcher er den neuen AGB widersprechen kann. Tut er es nicht, so erklärt er sich mit den geänderten AGB einverstanden. Und für den Fall, dass er doch widerspricht sollte sich der Communitybetreiber im Gegenzug die Kündigung der Mitgliedschaft vorbehalten.
Und damit sind wir am Ende dieses Slidecasts angelangt. Ich hoffe er hat das rechtliche Wissen rund um den Communitybetrieb unterhaltsam vermittelt, ich danke für die Aufmerksamkeit und freue mich über Kommentare, Anregungen oder Ergänzungen auf advisign.de.
Ein Punkt noch, es heißt tatsächlich die AGB und nicht die AGBs, weil AGB schon die Mehrzahl, nämlich Allgemeine Geschäftsbedingungen sind. Aber ich muss zugeben, dass mir der Fehler auch ab und an unterläuft. Und wichtig ist eh was drin und nicht was drauf steht.
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Vielen Dank für den sehr guten und hilfreichen Vortrag!
Zwei ganz kleine Änderungswünsche: Auf Folie 8 ist der Satz „Ein Beispiel für überraschende Klauseln […]“ doppelt, und auf Folie 16 steht zweimal „innerhalb der Community“, wobei das zweite Mal dort „außerhalb“ stehen sollte. Aber ansonsten ist alles super, und ich mag die Grafiken richtig gerne. 🙂
Perfekt! So lassen sich die Vorträge nach dem Barcamp nochmal in aller Ruhe anschauen.
…feiner blog – wir kommen öfter.
PREGAS
Vielen Dank für den Slidecast! Hat mir wirklich viel geholfen!