Die größte Überraschung auf dem Barcamp Auckland 2 war mich für der Veranstalter selbst. Ludwig Wendzich ist ein begeisterter und nimmer müder Organisator, der mit seinen 17 Jahren eine erstaunliche Professionalität an den Tag gelegt hat.
Im folgenden Interview könnt Ihr nachlesen wie er ganz alleine, ohne je zuvor auf einem Barcamp gewesen zu sein, ein Barcamp in der größten Stadt Neuseelands (1.5 Mio Einwohner von 4 insgesamt) auf die Beine gestellt hat. Ihr werdet erfahren wie die Webszene in Neuseeland aussieht und warum Ludwig plant seinen Wurzeln nach Deutschland zu folgen und gerne Kontakte zur deutschen Webszene hätte. Weiter über den Teich blicken geht nicht. 😉 Viel Vergnügen beim Lesen.
Das Interview im englischen Original gibt es hier.
1. Kannst Du Dich mit 5 Tags beschreiben?
Künstler, Designer, Entwickler, Barcampveranstalter und Nachwuchsunternehmer.
2. Wie kamst Du auf die Idee ein Barcamp in Auckland zu veranstalten und wie lange hast Du von der Idee bis zur Umsetzung gebraucht?
Eine gewisse Erica O’Grady ist über mein Blog gestolpert und wir kamen in ein Gespräch, indem sie die ganze Zeit von einem Barcamp sprach, das sie besuchen wollte. Diese Idee lies mir keine Ruhe und ich wollte auch ein Barcamp besuchen. Ich habe versucht eines in Neuseeland aufzutreiben, fand aber keines! Anfang 2007 stellte ich dann die Seite barcamp.org ins Netz, aber bis ich dazu kam es zu veranstalten war es schon Ende 2007.
Am Ende waren Wellington und Christchurch doch schneller und so fanden die Barcamps dort vor meinem Barcamp am 15. Dezember statt. Ich denke, dass der größte Unterschied zu den dortigen Veranstaltern war, dass sie im Gegensatz zu mir in der Web Community involviert waren und eine Menge Leute kannten. Ich dagegen kannte zu diesem Zeitpunkt niemanden der in der Webentwicklung tätig war.
photo credit: jamesmcglinn
3. Du bist nun 17 Jahre alt und warst 16, als Du das erste Barcamp Auckland veranstaltet hast. Das ist sehr beeindruckend und beachtenswert. Bist Du Problemen aufgrund Deines Alters begegnet? Zum Beispiel von Seiten der Sponsoren, die Deine Idee angezweifelt haben.
Das Alter war definitiv ein großes Problem. Sowohl was die Sponsoren, als auch die Besucher angeht. Ich habe hunderte von Emails an Firmen geschickt, aber erst als ich persönlich vorsprach kamen die Dinge ins Rollen. Mein erster Sponsor war Microsoft und Du wirst nicht glauben, wie hin und weg ich war! Bald traf ich auch Leute, die zu der Web Community gehörten, so dass die Dinge voran kamen und ich die nächsten Sponsoren fand.
Was ich dadurch gelernt habe war, wenn Du etwas von jemanden willst, dann sprich persönlich mit ihm. Emails sind so unpersönlich und einfach zu ignorieren. Aber wenn Du persönlich vorsprichst, ist es viel schwerer wegzuhören. Vor allem wenn Du etwas Interessantes zu erzählen hast.
Es war auch nicht einfach die Besucher davon zu überzeugen, dass ein Teenager das Barcamp veranstaltet. Daher bin ich allen sehr dankbar, die mir vertraut haben.
Und dieses Mal war es dank dem Erfolg vom ersten Barcamp alles viel einfacher!
photo credit: jamesmcglinn
4. Ich habe auf dem Barcamp gesehen, dass viele sich sehr wohl gefühlt haben und für ein vertiefendes Gespräch sogar Sessions verpasst haben. Planst Du die Anzahl der Tage (bisher 1) und der Teilnehmer (bisher 140) zu erweitern?
Wenn ich’s könnte auf jeden Fall. Die Gründe warum ich es nicht tue sind einfach. Geld und der Veranstaltungsort. Zum einem könnten wir nicht die Schule als Übernachtungsort nutzen [Das Barcamp fand in den Räumlichkeiten seines Colleges ca. 20 Min von der Innenstadt statt, Anm.] nutzen. Zwar könnten sich die Besucher selbst um Übernachtungsmöglichkeiten kümmern, aber es geht noch ums Geld und ich versuche ein hochqualitatives Event zu veranstalten. Aber ich lerne noch und bemühe mich die Kosten bei gleich bleibender Qualität zu senken.
Auf jeden Fall werde ich beim nächsten Barcamp mehr Hilfe seitens der Community brauchen, weil ich nicht mehr Schüler sein werde und statt meiner Schule einen neuen Veranstaltungsort brauche. Zudem bedeutet ein Tag mehr auch doppelt soviel Geld fürs Essen. Obwohl das meiste Geld für die T-Shirts drauf ging.
photo credit: jamesmcglinn
5. Hast Du schon mal andere Barcamps besucht?
Ich war zu Beginn des Jahres auf einem Foocamp eingeladen, aber das war’s. Ich möchte auf jeden Fall noch die Barcamps in Wellington und Christchurch besuchen.
6. Nun ein paar Fragen über die Webcommunity in Neuseeland. Habt Ihr nach Deiner Meinung eine starke Solidarität und Vernetzung durch Blogs, Communityplattformen und Veranstaltungen wie Webmontage oder Barcamps?
In Auckland ist die Community sehr fest verbunden. Ich kann nicht für unsere gesamte Webwelt sprechen, aber die meisten haben Blogs, obwohl diese nicht unbedingt ein Knotenpunkt für den Informationsaustausch sind. Aber wir haben John Ballinger’s Web Meetup der ein zentraler Punkt ist. Dies findet monatlich statt und ist eine Besuchsempfehlung, wenn man in der Stadt ist (meetup.co.nz). Alle dort scheinen gute Freunde zu sein und reden nicht nur über Webentwicklung.
7. In Deutschland gibt es sehr viele rein deutsche Webangebote und sogar internationale Angebote wie youtube, Amazon, Facebook oder Ebay bieten ihre Dienste auf Deutsch an. Das ist sehr bequem, trennt uns aber nach meiner Meinung etwas von der übrigen Welt ab. Als ich nach Neuseeland kam, fand ich hier weder Amazon noch Ebay vor! Stattdessen habt Ihr z.B. ein eigenes „ebay“ namens trademe.co.nz. Heißt es, dass Ihr auch lieber auf landesinterne Angebote vertraut? Oder irre ich mich da und Ihr benutzt doch lieber weltweite Angebote?
Ich denke es ist eine „wer zu erst kommt mahlt zuerst“-Geschichte. Wenn Ebay vor trademe da gewesen wäre, würden wir alle Ebay nutzen. Wenn es gute Angebote gibt, nutzen wir Neuseeländer sie. Wenn nicht, dann füllen wir die Lücken selbst aus.
8. Gibt es typisch neuseeländische Webangebote, die Du empfehlen kannst?
Typische? Ich weiß nicht. Ich glaube, dass das Web ein globales Medium ist und so nutzen auch wir Youtube, GMail, Google, flickr und anderes. Unser eigenes Aushängeschild ist auf jeden Fall trademe.
9. In Deutschland misstraut die Onlinewelt teilweise Anwälten, die schon gegen geringe Verstöße vorgehen. Habt Ihr dieselben Probleme oder verläuft das Internetleben hier noch friedlich?
Ich bin 17 also hatte ich bisher kaum was mit Anwälten zu tun. Meines Wissens gab es auch keinen bedeutenden Fall, in dem jemand wegen einer Urheberrechtsverletzung verklagt wurde. Alles was ich weiß ist, dass wir sehr sozial eingestellt sind und Dinge wie Creative Commons sehr willkommen heißen.
10. Und nun zu meiner letzten Frage. Du bist mit 7 Jahren zusammen mit Deinen Eltern von Südafrika nach Neuseeland gezogen. Deine Mutter, die zur Barcampcrew gehört, hat mir verraten, dass Dein Großvater Deutscher ist und Du Dir vorstellen konntest statt nach Neuseeland nach Deutschland gezogen zu sein. Würdest Du immer noch gerne in Deutschland leben? Und hast Du vor nach Deutschland zu reisen und dort gar ein Barcamp zu besuchen?
Ich will auf jeden Fall im Ausland arbeiten und möchte daher auch selbständig arbeiten, um diese Freiheit zu haben. Deutschland steht ganz hoch oben auf der Liste. Tatsächlich überlege ich sogar, zumindest eine Zeit lang in Deutschland zu wohnen. Dort werde ich nach der Techszene Ausschau halten, freue mich daher über Kontakte. Ein Barcampbesuch wäre toll und wer weiß, vielleicht werde ich ein eigens Barcamp in Deutschland organisieren. Und Euch zeigen wie es läuft 😉 Das ist natürlich ein Witz, weil mein Vater mir immer erzählt wie perfekt die Deutschen im allen sind und wir darüber scherzen.
- Website des Barcamp Auckland
- Ludwig Wendzichs Blog
- Second Draw Down – Podcast von Novia NG und Ludwig
- Ludwigs Twitteraccount
- Barcampbilder bei Flickr
- Mein Bericht vom Barcamp Auckland 2
- Mein Leben in Auckland auf Kiwispotting.de
Feine Geschichte.
Respekt! Der Mut, das Selbstvertrauen, Engagement und klare Zielvorstellung im Alter von gerade mal 17 Jahren – wirklich bemerkenswert!