Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat laut Bericht der Kanzlei Knies & Albrecht* (via Golem) eine grundlegende Entscheidung gefällt, die das Leben und Marketing im Netz erheblich erleichtert (EuGH, Beschluss vom 21.10.2014, Az. C-348/13). Es ging dabei um die Frage, ob Nutzer mit Einbettung fremder Inhalte die Haftung für diese übernehmen.
Oder plastisch ausgedrückt, ob Sie z.B. für rechtswidrige Inhalte eines YouTube-Videos oder eines Tweets haften, wenn Sie sie in ihre Website oder in Ihrem Facebookprofil einbinden. Ich erkläre Ihnen, welche Probleme durch die Entscheidung gelöst wurden, aber auch wann Sie trotzdem für die Einbettung fremder Inhalte haften können.
Welcher Fall wurde entschieden?
In dem entschiedenem Fall band ein Unternehmen ein YouTube-Video eines Nutzers ein, in dem Filmmaterial eines Wettbewerbers unerlaubterweise verwendet wurde. Der Wettbewerber verklagte das Unternehmen wegen einer Urheberrechtsverletzung. Das heißt, Sie merken, es ging ohnehin um einen speziellen Fall, bei dem es um Konkurrenzinteressen und nicht nur um das Urheberrecht ging (wenn Rechteinhaber ihre Videos bei YouTube hochladen, ist das Embedding ohnehin kein Problem).
Der Bundesgerichtshof (BGH) fand, dass es sich bei der Einbettung zwar nicht um eine Vervielfältigung gem. § 16 UrhG und auch keine öffentliche Zugänglichmachung gem. § 19a UrhG vorlag. Jedoch meinte das Gericht, es könnte sich bei der Einbettung um eine im Gesetz unbenannte verbotene Nutzungsform gem. Art. 3 Abs.1 der EU-Richtlinie 2001/29/EG handeln.
Dieser Fall wurde daher wegen des EU-Bezuges dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss v. 16.5.2013, Az. I ZR 46/12.)
Embedding & Framing: Der Begriff „Embedding„, bzw. die deutsche Ausdrucksweise „Einbettung„, ist die moderne Version des Framing und steht für die Einbindung vielerlei fremder Inhalte, wie z.B. Grafiken, YouTube-Videos, Tweets, Facebook-Beiträgen oder RSS-Feeds (zusammen gefasst als „Embedded Content“ bezeichnet). Dabei werden die Inhalte nicht kopiert, sondern verlinkt. Der Unterschied zu einem „klassischen“ Link ist, dass der verlinkte Inhalt auf der eigenen Onlinepräsenz dargestellt wird (z.B. ein YouTube-Video). Man spricht auch vom Hotlinking und betrachtet Framing auch als eine Unterart des Deep Links.
Was sagte der EuGH?
Der EuGH musste zwischen verschiedenen juristischen Ansichten abwägen, von denen m.E. keine abwegig ist:
Contra Haftung:
- Das Video wurde bereits an einer anderen Stelle veröffentlicht.
- Die Plattform (z.B. Youtube) kann sich auf das Haftungsprivileg für Nutzerinhalte berufen. Warum sollte also jemand der das Video einbettet schlechter gestellt sein als die Plattform selbst?
- Das Verlinken von Unterseiten einer Website ist laut BGH erlaubt (Paperboy-Entscheidung).
Pro Haftung:
- Das Video erscheint an einer anderen Stelle als ursprünglich publiziert und kann sich damit an ein völlig anderes Publikum richten.
- Der Nutzer wählt und bindet das Video, anders als YouTube wo Nutzer die Videos hochladen, bewusst und händisch aus und macht es sich dadurch zu-Eigen.
Der EuGH hat sich laut der Meldung für einen Mittelweg entschieden und gesagt, dass durch das Embedding kein Urheberrechtsverstoß begangen wird, wenn der Inhalt
- sich nicht an ein neues Publikum richtet und
- keine anderen technischen Mittel zur Einbindung verwendet werden.
Dabei folgte der EuGH eine Leitlinie, die er bereits in einem Fall aufgestellt hatte, bei dem es um Framing von fremden Zeitungsartikeln ging (Svensson-Entscheidung).
So bedeutet das Urteil, dass Sie derzeit relativ beruhigt Videos von Plattformen wie Youtube einbinden können. Jedoch ist es kein Freifahrtsschein für die Nutzung fremder Inhalte.
Fälle in denen Embedding unerlaubt bleibt
Trotz, bzw. wegen des EuGH-Urteils bleiben folgende Embeddingmethoden verboten:
Inline-Links: Auf die Entscheidung des BGH können Sie sich m.E. nicht berufen, wenn Sie eine Grafik von einer fremden Seite in Ihre Website so einbinden, dass sie als Teil Ihrer Website (sog. Inline-Link) erscheint, weil Sie sich z.B. die Datenlast sparen wollen.(s. Update unten)- Umgehung von Sperren (z.B. Paywalls) – Wenn der Inhalt sonst nur durch spezielle Zugangssicherungen geschützt (z.B. Session-IDs) und nicht für den direkten Zugang bestimmt ist, dürfen diese Zugangsschranken nicht durch Embedding umgangen werden (s. BGH, Urteil v. 29.04.2010, Az. I ZR 39/08).
- Offensichtlich rechtswidrige Inhalte: Sie übernehmen ebenfalls dann die Haftung, wenn man Ihnen nachweisen kann, dass Ihnen die Rechtsverletzung bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. D.h. wenn Sie z.B. einen Film einbinden der gerade im Kino läuft, aber schon auf diversen Seiten in dunkleren Bereichen des Netzes verfügbar ist.
- Wirtschaftliche Ausbeutung: Hiermit meine ich die Fälle, in denen Ihr Embedding über das reine Einbinden hinausgeht und Sie z.B. mit einem Video von Shakira Ihre Werbeanzeige untermalen. Sie können sich vorstellen, dass Shakira für so etwas normalerweise Geld verlangt.
Fazit
Der EuGH hat eine Entscheidung getroffen, die dem Anspruch des Gesetzes entspricht, der im Netzrecht oft nicht erreicht wird. Es ist der Idealzustand, in dem das Recht dem gesunden Menschenverstand entspricht.
Zumindest nach meiner Ansicht sagt dieser, dass Nutzer die Inhalte von Onlineplattformen teilen, nicht schlechter stehen sollten als die Plattformen selbst. Die Alternative wäre das Verbot des Sharings, was wiederum aus meiner Sicht ein kultureller Rückschritt gewesen wäre.
Die Urheber bleiben nicht ungeschützt, da sie sich an die Plattformen oder Nutzer wenden und die Löschung verlangen können. Ferner bleibt das „heimliche“ einbinden fremder Inhalten, die nicht zum Teilen bestimmt waren, weiterhin unerlaubt, genauso wie offensichtliche Rechtsverstöße.
Ich zumindest freue mich nun beruhigt Videos einbinden zu können:
*Der Beitrag beruht auf dem Bericht der Kollegen der Kanzlei Knies & Albrecht, die an dem Verfahren beteiligt waren. Sobald die Beschlussgründe vorliegen, werde ich sie hier verlinken und den Beitrag ggf. anpassen. Update 24.10.2014: der Beschluss liegt nun im Volltext vor.
Update 09.07.2015
Der BGH hat die Ansichten des EuGH übernommen (BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – I ZR 46/12). D.h. auch Inlinelinks sind demnach zulässig und die Urheber durch die neue Rechtsprechung benachteiligt. Offen ist weiterhin die Frage, ob man für eingebettete Inhalte haftet, die illegal hochgeladen wurden. Der BGH tendiert in diese Richtung, allerdings wird auch in dieser Frage die Entscheidung des EuGH abzuwarten sein.
Mein Beitrag bei Allfacebook.de: BGH-Urteil zum Embedding: Gut für Nutzer, schlecht für Urheber und eine offene Frage
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