Ein Glücksfall für jedes Unternehmen ist ein Mitarbeiter, der Social Media effizient für das Unternehmen einzusetzen weiß. Aber was ist, wenn diese Tätigkeit nicht nur in der Arbeitszeit stattfindet, sondern auch privat fortgesetzt wird? Es ist geradezu typisch, dass heutzutage Beruf und Freizeit immer mehr verschmelzen. Oft ist das bei privaten Facebookprofilen oder bei Twitter zu sehen. Doch das kann unangenehme Folgen sowohl für den Arbeitnehmer, wie für den Arbeitgeber haben.
In einem aktuellen Fall wurde einem Mitarbeiter der Asstel-Versicherung der Account bei Gutefrage.net mit dem Hinweis auf kommerzielle Nutzung und Verweis auf eine Premiummitgliedschaft gesperrt, weil er auf seine Versicherungstätigkeit verwiesen und regelmäßig Versicherungsfragen beantwortet hat.
Er selbst meint jedoch, dass er die Fragen privat beantwortet hat. Im OpenSourcePr-Blog fragt man sich zudem, ob Unternehmen durch den Zwang zur Premiummitgliedschaft zur Schleichwerbung gezwungen werden (Astroturfing genannt).
Ich frage mich das auch und erkläre daher,
- wann ein Mitarbeiter nicht mehr privat im Netz unterwegs ist,
- wann seine Social-Media-Aktivitäten unternehmerische Werbung darstellen,
- und warum Unternehmen mit Premiummitgliedschaften leben müssen.
Wann ist ein Mitarbeiter im Social Web privat?
Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer auch eine Privatsphäre. Wenn er im Netz surft, bei Facebook Bilder postet oder politische Meinungen austauscht, dann tut er dies als Privatperson.
Anders sieht das aus, wenn er dabei weiterhin für sein Unternehmen wirbt. Und dabei kommt es auf die Wirkung nach außen, nicht auf seine Absichten an. Wenn der Mitarbeiter zum Beispiel das Produkt seines Unternehmens in einem Forum anpreist, dann wirbt er dafür. Solange er das ein Mal macht, bleibt er noch im privaten Rahmen. Macht er das ständig, dann wird kommerzielle Werbung daraus. Das Problem ist die Grenze zu bestimmen.
Bei Social-Media-Schulungen erkläre ich das den Teilnehmern mit folgender Daumenregel:
Stellen Sie sich eine private Party vor. Wenn Sie auf der Party ein- oder zweimal erzählen, was Ihr Arbeitgeber alles leistet, hört man ihnen zu. Wenn sich jedoch die Leute anfangen abzuwenden, weil sie nur noch Ihr Unternehmen anpreisen oder von Ihrem Beruf erzählen, dann haben Sie die Schwelle zur beruflichen Werbung überschritten. In diesem Fall werden Sie nicht mehr behaupten können, privat unterwegs zu sein.
Auf der Party wird man nur alleine stehen gelassen. In der Netz-Öffentlichkeit hat das dagegen schwerwiegendere Folgen.
Arbeitgeber haften für Ihre Arbeitnehmer
Weiß der Arbeitgeber von dieser „privaten“ Werbung seines Angestellten und toleriert sie über einen gewissen Zeitraum, wird er für den Mitarbeiter haften müssen. Kritisiert der Mitarbeiter zum Beispiel die Produkte eines Konkurrenten und preist die eigenen Leistungen an ohne sich an die Grenzen vergleichender Werbung zu halten, wird der Arbeitgeber wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgemahnt werden können.
Die Folgen für den Mitarbeiter können
- im Ausschluss von der Plattform wegen kommerzieller Nutzung des Accounts liegen und
- eine Verletzung von Arbeitnehmerpflichten darstellen, wenn er vom Arbeitgeber belehrt wurde, private mit beruflichen Aussagen nicht zu vermengen (dazu unten mehr).
Im Fall von Gutefrage.net
- bloggt der Mitarbeiter im Offiziellen Blog der Versicherung und
- präsentiert sich dort auch mit seinem Gutefrage.net-Profil, wo er
- als Experte Versicherungsfragen beantwortet und mit 920 Punkten zu dem aktivsten Mitgliedern gehört und
- gibt im Profil an, Teamleiter bei der ASSTEL-Versicherung zu sein und verlinkt auf deren Blog.
Das ist eine Menge an Anzeichen, die ihn nach meiner Meinung als einen offiziellen Social-Media-Beauftragten des Unternehmens wirken lassen (hier sind übrigens sehr viele gute Meinungen dazu in den Kommentaren zu finden). Dass er sich nicht als solchen sieht, ist dabei irrelevant, da der Plattformbetreiber, die anderen Mitglieder oder Wettbewerber schlecht wissen können, was er denkt.
Wann sind Social-Media-Aktivitäten Werbung?
Diese Frage kann man praktisch mit „immer“ beantworten. Der Begriff „Werbung“ wird zum Schutze von Verbrauchern sehr weit ausgelegt. Insbesondere gehört dazu die Imagepflege eines Unternehmens. Denn auch die Imagepflege, wie zum Beispiel die Antworten eines Versicherungsfachmanns bei Gutefrage.net, können die Einstellung anderer Mitglieder zu dem Versicherungsunternehmen beeinflussen und „werben“ damit für den Arbeitgeber.
Müssen Unternehmen mit Premiummitgliedschaften leben?
Ja, das müssen sie. Sie können sich nicht auf Gleichberechtigung berufen und wie andere Mitglieder einen freien Zugang beanspruchen. Denn sie sind eben nicht gleich und nutzen anders als Privatpersonen Social Media, um für sich zu werben. Und wer ihnen eine Werbeplattform bietet, der darf dafür Geld verlangen. Zum Beispiel in Form einer Premiummitgliedschaft.
Gutefrage.net im Recht
Zusammenfassen ist zu sagen, dass der Versicherungsmitarbeiter aus der Sicht von Gutefrage.net werbend und damit kommerziell auftrat. Damit verstieß er gegen die Regeln, die kommerzielle Plattformnutzung verbieten und durfte daher gekündigt werden.
Damit will ich keineswegs die Aktivität des Mitarbeiters kritisieren. Ganz im Gegenteil finde ich, dass gerade diese Form der unaufdringlichen Werbung durch Hilfsmaßnahmen und Dialog das Wesen von Social Media Marketing ausmacht. Jedoch kann ein Unternehmen nicht verlangen, diesen Werbeeffekt umsonst zu erhalten.
Fazit und Praxisempfehlung
Ein Mitarbeiter, der sich auch jenseits der Arbeitszeit umfangreich für sein Unternehmen im Social Web engagiert, kann sich nicht mehr darauf berufen, privat zu handeln. Die Folge für Ihn können der Accountverlust und eine arbeitsrechtliche Abmahnung sein.
Weiß der Arbeitgeber von seinen Aktivitäten und duldet sie, wird er für wettbewerbsrechtliche Verfehlungen des Mitarbeiters haften. Dabei kann die Lösung nicht sein, dem Mitarbeiter zu sagen, er soll nicht offen zugeben für das Unternehmen zu handeln. Dann läge verbotene Schleichwerbung vor, die ebenfalls wettbewerbswidrig und zudem imageschädigend ist.
Dem Mitarbeiter zu verbieten, auch privat im beruflichen Fachgebiet tätig zu sein, ist zum einen eine Potentialverschwendung und zum anderen arbeitsrechtlich kaum durchsetzbar.
Vielmehr sollte das Unternehmen den Mitarbeiter anweisen, sich deutlich von seiner beruflichen Tätigkeit zu distanzieren. Er sollte deutlich darauf hinweisen,
- dass er nicht im Namen des Unternehmens agiert,
- alle Aussagen seine persönliche Meinung darstellen,
- und nicht in Verbindung mit dem Unternehmen gebracht werden sollen.
Der Umfang und die Ausdrücklichkeit dieser „Distanzierung“ richtet sich nach der Werbewirkung des Mitarbeiters, weil deren Sinn ist, diese Werbewirkung zu entkräften. In dem hier besprochenen Fall hätte der Mitarbeiter einen sehr deutlichen Hinweis anbringen müssen und nicht zugleich im Unternehmensblog auf diese Tätigkeit hinweisen sowie auf das Blog im Gutefrage.net-Profil verlinken sollen.
In manchen Fällen, wie bei Geschäftsführern oder Inhabern eines Unternehmens, wird diese Distanzierung gar nicht möglich sein, weil sie im Bezug auf Ihr Unternehmen so stark eingebunden sind, dass sie in diesem Bereich immer beruflich unterwegs sind. Das war der Fall bei dem ehemaligen Geschäftsführer der Firma Neofonie, von Ankershoffen, der bei Amazon „privat“ das WeTab seines Unternehmens anpries.
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Weitere Informationen
- Astroturf, pay or die – Wie gutefrage.net Transparenz verkauft bei OpenSourcePR
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