Wann haben Sie sich das letzte Mal über Einladungen zu einer für Sie irrelevanten Facebook-Seite geärgert? Wie viel Zeit vergeuden Sie Tag für Tag mit unerwünschten Eventeinladungen, mit „persönlichen“ Kooperationsangeboten und mit „großartigen Synergien“?
Gut getarnt auf dem Level der geschäftlichen oder freundschaftlichen Kontaktanbahnung fällt es mir zumindest schwer, den Spam vorab zu filtern und der „aha“-Effekt tritt oft erst nach dem Lesen ein. Hier stellt sich mir natürlich die Frage, ob das rechtlich verbotener Spam ist. Wie weit darf man hier gehen? Diese Frage ist natürlich nicht nur für mich als Adressaten spannend, sondern auch für alle, die Marketing in Social Media betreiben: wann darf man potentielle Kunden direkt ansprechen und wann wird die rechtliche Grenze überschritten?
Auch beruflich höre ich diese Fragen von beiden Seiten immer häufiger. Ein solcher Fall wird sogar bald vor Gericht verhandelt. Leider gibt es zu dieser Problematik noch keine Urteile, geschweige denn gesicherte juristische Erkenntnisse. Daher möchte ich in diesem Beitrag die Grenze zwischen zulässiger Kommunikation und verbotenem Spam in sozialen Netzwerken ausloten. Der Beitrag beginnt mit rechtlichen Grundlagen, bevor ich anschließend praktische Fälle untersuche.
Rechtliche Grundlagen
Nach meiner Meinung, können wir auf dieselben gesetzlichen Grundlagen zurück greifen, die auch für E-Mail-Werbung gelten:
§ 7 UWG – Unzumutbare Belästigungen – (2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen […] 3. bei Werbung unter Verwendung […] elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, […]
Bei Nachrichten in sozialen Netzwerken handelt es sich um elektronische Post. Zumal die Nachrichten oft zusätzlich als E-Mail verschickt werden. Damit dürfen sie für den Werbeversand nur dann benutzt werden, wenn man nachweisen kann, dass der Empfänger ausdrücklich mit dem Empfang der Werbung einverstanden ist. Ansonsten handelt es sich um Spam, bei dem diese Folgen drohen:
- Abmahnung mit Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe bei Wiederholung sowie
- Pflicht zur Übernahme der Abmahnungsgebühren (je, nach Gericht inkl. eigenem Anwalt bis zu 600 €)
- Löschung von Accounts seitens der Plattformbetreiber.
Eine Einwilligung in den Werbeempfang könnte der Klick auf „Gefällt mir“, „Folgen“ oder ähnliche Buttons sein. So habe ich schon mal das Argument gehört, dass man den Fans einer Facebookseite Werbung zusenden darf. Aber stimmt das?
„Elektronische Post“ ist jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird (Art 2 Satz.2 Buchtsabe h. der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation). Diese weite Regelung sollte alle Fälle umfassen, in denen jemand ohne viel Aufwand, die Aufmerksamkeit vieler Personen für die eigene Werbung in Anspruch nehmen kann.
Klick auf „Gefällt mir“, Folgen oder Einkreisen als Einwilligung?
Die Frage, ob ein Klick auf „Gefällt mir“ einer Fanseite oder Einkreisen bei Google+ eine Einwilligung in den Werbeempfang darstellen, lässt sich schnell beantworten: Nein. Und das aus zwei Gründen:
- Belehrung – Eine solche Einwilligung ist nur wirksam, wenn der Nutzer darüber informiert wird, dass und welche Art von Werbung er empfangen wird. Innerhalb sozialer Plattformen gibt es jedoch keine Möglichkeit solche Informationen in unmittelbarer Nähe der Schaltflächen zu platzieren, z.B. „Mit dem Klick dieser Schaltfläche erklären Sie sich mit dem Empfang von Informationen über mein Unternehmen einverstanden“ Und das mit Absicht seitens der Plattformbetreiber, die aktiven Werbeversand verhindern wollen.
- Getrennte Einwilligung – Eine Einwilligung muss separat erfolgen und darf nicht mit anderen Erklärungen verbunden werden. Eine „Ich werde Fan und erkläre mich zugleich mit Werbeempfang einverstanden“-Einwilligung wäre unwirksam.
Damit ist die direkte Ansprache von Nutzern zu Werbezwecken und Versand von Werbung in Social Media mangels Einwilligungsmöglichkeit praktisch ausgeschlossen. Aber ist eine Nachricht an einen „Kontakt“ oder „Freund“ bereits Werbung?
Was ist Werbung?
Zur Werbung gehört praktisch jede unternehmerische Nachricht, die dazu dient das Geschäft, dessen Absatz und Leistungen zu fördern. Zur Werbung gehören
- eindeutige Produktangebote,
- Kooperationsanfragen,
- Blogbenachrichtigungen, Einladungen auf die Social Media Präsenzen oder sogar
- Imagewerbung wie z.B. Weihnachtsgrüße
Keine Werbung liegt in den folgenden Fällen vor:
- Anfragen nach den Leistungen der Empfänger (z.B. Anfragen nach Kostenvoranschlägen)
- Nachrichten im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen (Rechnungen, Bestellbestätigungen
- Öffentliche Diskussionen und persönliche Gespräche
Vor allem der letzte Punkt dürfte auch Richtern viel Kopfzerbrechen bereiten. Ich denke, dass man den Kommunikationscharakter sozialer Netzwerke berücksichtigen muss, so dass nur eindeutige Angebote, Einladungen zu Events o.ä. als Spam in Frage kommen. Das aber auch nur, wenn sie außerhalb bestehender Kontaktverhältnisse verschickt werden.
Werbung innerhalb von Kontakt- und Freundschaftsverhältnissen
Die Verfasser von Werbenachrichten könnten sich in vielen Fällen darauf berufen, dass dies innerhalb eines Kontakt- oder Freundschaftsverhältnisses statt fand und daher zulässig sei. Und ich meine, sie hätten Recht. Denn irgendwo muss zu Gunsten der Rechtssicherheit eine klare Grenze gezogen werden. Vor allem, weil sich heutzutage die Grenzen zwischen den Lebensbereichen Privat-Öffentlich-Beruflich auflösen und es sonst kaum Möglichkeiten zu bestimmen, ob man nun privat oder schon beruflich kommuniziert.
Das heißt, wenn Sie bewusst ein Kontaktverhältnis eingehen, wird es sich meines Erachtens bei den Nachrichten Ihres Kontaktes nicht um Werbung im Sinne des Gesetzes handeln. Beziehungsweise wird keine „Wiederholungsgefahr“ für erneuten Spamversand bestehen, da Sie den Nutzer als Kontakt entfernen können. Und ohne eine Wiederholungsgefahr, wird eine Abmahnung keinen Erfolg haben.
Kontaktverhältnis – Ein solches setzt die Zustimmung von beiden Nutzern voraus (z.B. „Kontakt“ bei Xing oder „FreundIn“ bei Facebook). Kein Kontaktverhältnis liegt vor, wenn lediglich ein Nutzer einem anderen „folgt“, dessen Nachrichten „abonniert“ oder Fan einer Facebookseite wird.
Ich möchte das noch etwas plastischer ausdrücken: Wenn Sie jemanden auf eine Party einladen und die Person verhält sich dort wie ein Unternehmensvertreter, werden Sie kaum eine gerichtliche Verfügung gegen diesen Gast erwirken (können). Sie laden ihn schlicht nie wieder ein. Genauso, wie Sie in einem sozialen Netzwerk das Kontaktverhältnis beenden, wenn Ihr Kontakt Sie mit unerwünschter Werbung belästigt.
Alle Theorie ist gut und schön, aber wie sieht die praktische Umsetzung aus? Dazu schaue ich mir ein paar typische Beispiele an.
Praxisfall 1 – Kontaktanfragen
Reine Kontaktanfragen stellen kein Direktmarketing dar. Sie sind notwendige Funktionen sozialer Netzwerke. Es sei denn, sie werden für Werbezwecke missbraucht und beinhalten bereits Werbung, z.B.
„Hallo Herr Schwenke, ich würde Sie gerne zu meinen Kontakten hinzufügen und kennen Sie schon unsere neuesten Leistungen im Bereich Anwalts-Marketing?“.
Es handelt sich nicht um ein reines Kontaktangebot, sondern zumindest auch um Werbung. Das heißt, ich habe keine Möglichkeit mir die Person anzuschauen und der Kontaktanfrage, nebst möglicher Gefahr von Werbenachrichten, zuzustimmen. Statt dessen wird mir die Werbung aufgedrängt. Solche Kontaktanfragen stellen meines Erachtens Spam dar.
Praxisfall 2 – Privatnachrichten & Einladungen im Kontaktverhältnis
Solange das Kontaktverhältnis beendet werden kann, stellen werbende Nachrichten keinen Rechtsverstoß dar. Denn zuvor hat die Möglichkeit bestanden, die Person auszuwählen und den Kontakt abzulehnen. Eine Ausnahme würde ich nur dann machen, wenn die Person sich den Kontakt erschleicht. Z.B. wenn es ein Fakeprofil ist, um an die Postfächer möglichst vieler Personen zu kommen. Hier verbirgt sich leider noch viel Missbrauchspotential.
Praxisfall 3 – Privatnachrichten & Einladungen ohne Kontaktverhältnis
Ohne ein Kontaktverhältnis stellen werbende Nachrichten in den meisten Fällen Spam dar. Sie sind dann nichts anderes, als unerwünschte Werbeemails. Das gilt nicht, wenn der Empfänger zum Ausdruck gebracht hat, diese Nachrichten empfangen zu wollen.
Wer z.B. bei Xing im Feld „Ich suche“ angibt, dass er an „neuen beruflichen Herausforderungen“ und „SEO-Marketing“ interessiert ist, darf von Headhuntern oder Anbietern von SEO-Leistungen kontaktiert werden. Dasselbe gilt, wenn jemand bei Facebook öffentlich kund tut, „nach einem Job zu suchen“ oder jemanden für „SEO-Marketing“ zu suchen.
Nicht alles was technisch geht, ist erlaubt – Facebook experimentiert mit einer Funktion, die es erlaubt gegen Entgelt Privatnachrichten an fremde Nutzer zu versenden. Enthalten solche Nachrichten Werbung, wird es sich um abmahnbaren Spam handeln.
Praxisfall 4 – Markierungen und Mentions
Eine weitere Möglichkeit Personen auf sich aufmerksam zu machen, ist es sie in Beiträgen zu markieren. Dies erfolgt in der Regel, in dem man ein „@“ vor den Namen der Person setzt. Sie wird anschließend über den Beitrag, in dem sie auftaucht, benachrichtigt.
Geschieht dies im Rahmen eines Kontaktverhältnisses, ist es zulässig. Ebenso sehe ich es als zulässig an, wenn es dazu dient, um eine Diskussion zu führen. Geschieht es alleine, um auf den eigenen Beitrag aufmerksam zu machen, stellt es meines Erachtens belästigende Werbung dar.
Praxisfall 5 – Einträge auf fremden Pinnwänden
Bei werbenden Einträgen auf fremden Pinnwänden außerhalb eines Kontaktverhältnisses, handelt es sich meines Erachtens um unerlaubte Werbung (juristischer Hinweis: nach § 7 Abs.1 UWG). Es ist in etwa so, als ob jemand in fremden Geschäftsräumen eigene Werbebroschüren auslegen würde. Das gilt natürlich nicht, wenn es sich um einen Diskussionsbeitrag handelt. Weitere Hinweise hierzu finden Sie in meinem Beitrag „Facebook-Seiten können nun auf Pinnwänden kommentieren – aber dürfen sie es auch?„.
Praxisfall 6 – Einträge in Gruppen, Boards, o.ä.
Wenn man einer Gruppe, einem Diskussionsforum o.ä. beitritt, sollte man die Regeln beachten. Ggf. ist eine Selbstanpreisung oder zumindest eine Vorstellung sogar explizit zugelassen. Ansonsten dient die Teilnahme der Diskussion. D.h. Selbstanpreisung darf allenfalls in eine Diskussion eingebettet werden, wenn z.B. jemand eine Lösung für ein Problem sucht und das eigene Unternehmen diese anbietet.
Fazit und Praxisempfehlung
Zusammenfassend ist Werbung in Privatnachrichten, Kontaktanfragen, per Mentions/Markierungen und auf Pinnwänden außerhalb von Kontaktverhältnissen unzulässig. Nicht zur Werbung gehören Diskussionsbeiträge, auch wenn sie eine mittelbar werbende Wirkung haben.
Die Gefahr eine Abmahnung zu erhalten ist derzeit (noch) viel geringer als bei E-Mailspam. Nimmt die Anzahl von Spam in Social Media zu, werden viele Nutzer nicht mehr so nachsichtig reagieren wie bisher. Daher sollte es jedem daran gelegen sein, die Grenzen des Erträglichen nicht zu überdehnen.
Und Kontakte zu haben, die einem manchmal „auf die Nerven gehen“, gehört ja auch irgendwie zum Leben dazu 😉
Da das Thema rechtlich noch nicht erforscht ist, würde mich auch über andere Ansichten oder weitere Praxisfälle in den Kommentaren sehr freuen.
[callto:spam_double]
Weitere Informationen zum Thema
- Birgt Ihr E-Mail-Newsletter ein Abmahnrisiko? – Schlechte Beispiele und Gute Beispiele hier im Blog
- Rechtliche Beurteilung von Spam Versand in sozialen Netzwerken von RA Ulbricht
- Abmahngefahr: Spamming bei Xing & Co von RA Dramburg bei Gründerszene
- Spam in sozialen Netzwerken – Pinterest & Instagram reagieren bei futurebitz.net
- Facebook testet 100-Dollar-Mails bei heise.de